Kapitel 2
Der frühe Vogel hat wahrscheinlich einen Wecker
In meinem Stammlokal „Phoenix“ angekommen ging ich mit schnellen Schritten auf die Bar zu. Die Besitzerin der Kneipe gab mir ihren üblichen „Ach, der schon wieder“-Blick. Ich konterte mit meinen „Ach komm, du willst es doch auch“-Gesichtsausdruck. Daraufhin seufzte sie genervt und begrüßte mich. „Hast du endlich Geld oder hast du vor schon wieder deine Zeche zu prellen?“, sagte sie. „Wann bin ich schon mal abgehauen ohne zu zahlen?“, entgegnete ich ihr. „Vorgestern“, antwortete sie ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Sie seufzte erneut. Gezielt so laut dass ich es hören würde versteht sich. „Keine Sorge, du wirst dein Geld kriegen. Ich habe einen vielversprechenden Auftrag an Angel“, versicherte ich. Aus irgendeinem Grund schien sie mir aber nicht glauben zu wollen. „Ach, hat wieder jemand seine Katze verloren?“, verspottete sie mich. Doch mein Selbstvertrauen konnte man nicht so leicht brechen: „Nein, oh liebste Phoe, ein reicher Vollidiot hat mich beauftragt sein goldenes Teil zu finden!“ „Er hat seine Genitalien vergolden lassen und sie dann verloren?“, scherzte sie. „Leute, der Pleitegeier hier meint ein reicher Kerl hätte ihn beauf…“ „Ach sei einfach still und gib mir das Übliche“, unterbrach ich sie. Sie nickte und fing an mir einen Cocktail zusammen zu mixen. Der frühe Vogel hat wahrscheinlich einen Wecker
Kurz bevor ich diesen entgegen nehmen konnte sprach mich mein Sitznachbar an. Er schien ungefähr in meinem Alter zu sein, vielleicht auch etwas älter. Es war zu dunkel um solche Kleinigkeiten genau auszumachen. „Sie sind also der berüchtigte betrunkene Detektiv über den sich unsere Bedienung so gerne aufregt, liege ich richtig?“, fragte er mich. „Bitte sagen sie mir nicht dass Phoe sowas über mich erzählt“, konterte ich mit einer Gegenfrage. Kein Wunder dass ich nie Aufträge kriege wenn meine so genannten „Freunde“ solch gute Werbung für mich machen. „Dann werde ich es halt nicht sagen, doch die Antwort scheinen sie schon zu kennen.“ Wir beide fingen an zu lachen. Ich aus reiner Höflichkeit und er weil er wohl schon ein oder zwei Gläser über den Durst getrunken hatte. „Shai mein Name, sehr erfreut“, entschied ich mich meinen berühmt berüchtigten Namen auszusprechen. „Ahh, sie sind also der Kerl, der die Katze meiner Cousine gefunden hat!“, erwiderte er. Ich war mir nicht sicher ob ich über diese Feststellung glücklich sein oder deswegen zum nächsten Arbeitsamt gehen sollte. „Ich bin Tyranitar, ebenfalls sehr erfreut“, stellte auch er sich vor. Danach bekamen wir beide unsere Getränke. Ich würde noch mehr von diesem Abend erzählen, aber es passierte nichts wirklich Spannendes mehr. Abgesehen davon war ich bei weitem zu betrunken um mich an irgendwas zu erinnern. Doch wieso ich am nächsten Morgen ohne Hose an einer Straßenlaterne gefesselt aufwachte würde ich schon gerne wissen. Den Nachrichten auf meinem Handy zu Folge hatte ich jedenfalls erneut vergessen zu bezahlen. Um ehrlich zu sein hätte ich dazu sowieso kein Geld gehabt. Noch nicht.
Ein kurzer Blick auf meine Uhr, welche zum Glück nicht gestohlen worden war, sagte mir dass es 6 Uhr morgens war. Ich entschied mich etwas gegen meine fast schon missliche Lage zu unternehmen. Es wäre sicherlich peinlich so von jemanden gesehen zu werden, den ich kenne. „Oh, der Herr Detektiv, was tun sie an der Laterne? Und wo genau sind ihre Hosen?“, hörte ich kurz nach dem ich aufgewacht war eine Stimme. Jemand stand hinter mir und kannte mich. Nun, eine weitere Person, die mich wohl nicht weiter empfehlen würde. Zögernd drehte ich mich um. „Tyradieter war es, oder?“, fragte ich meinen Trinkpartner vom gestrigen Abend. „Tyranitar um genau zu sein, aber viel wichtiger ist es mir gerade wie sie es fertig gebracht haben so zu enden“, antwortete er mir grinsend. „Das einzige an dass ich mich erinnere sind Brüste“, gab ich beschämt zu. „Bei der Blondine mit der sie Gestern abgehauen sind war auch nicht viel mehr als Brüste dran“, erklärte der Mann mir. Das klingt doch gar nicht so schlimm. Es war also wenigstens keine Monsterbraut oder ein Kerl gewesen. „Könnten sie mich zufällig los machen?“, fiel mir meine Situation wieder ein.
Zu meinem großen Bedauern blieb ihm nichts anderes übrig als einen Handwerker anzurufen, welcher die Kette mit einer Eisensäge durchtrennte. Hosen brachte dieser mir aber nicht mit. Ich bin mir auch nicht wirklich sicher ob ich in eine Hose von dem Kerl hinein gepasst hätte oder eine von seinen Hosen gewollt hätte. Doch es war noch früh und Tyra, wie ich ihn inzwischen nannte, fuhr mich nach Hause. Dort angekommen fand ich mich nicht fähig nochmal schlafen zu gehen, weswegen ich mich an meinen Laptop setzte und mit meiner Arbeit beging. Um ca. 11 Uhr entschied ich mich eine Pause zu machen. Solitär kann zwischendurch richtig fordernd werden.
Schon wenige Sekunden später bekam ich einen Anruf von meinem guten alten Freund Iruini von Smett. „Ich hätte einen Hinweis für sie“, sagte er. „Eines meiner Hausmädchen hat beim einkaufen ein paar zwielichtige Leute mit einer Box in der passenden Größe am Hafen gesehen.“ „Wieso kauft eine ihrer angestellten am Hafen ein? Und was kauft sie dort?“, fing ich sofort mit der wichtigsten Frage an. „Tintenfische.“ „Bei uns am Hafen haben sie Tintenfische?“ „Ja, haben sie, aber darum geht es nicht.“ „Doch, ich mag Tintenfische sehr gerne. Vor allem mit einem guten Weißwei…“ „Bleiben sie ernst!“, unterbrach er unsere kleine Diskussion jedoch als es ihm zu weit ging. „Das Paket wurde auf die „Libiskuss“ verladen. Sehen sie sich die Sache bitte an“, sagte er noch bevor er auflegte. Es stimmt also das der frühe Vogel den Wurm fängt. Wäre ich später aufgestanden hätte ich vielleicht diesen unglaublich produktiven Anruf verpasst. Eine Schande wäre das gewesen.
Nun, selbst wenn ich die Hinweise nicht für wirklich viel sagend hielt machte ich mich zum Hafen auf. Leider hatte er gute Herr von Smett versäumt mir zu sagen wo genau am Hafen, weswegen ich ewig hin und her lief. Meine Füße taten weg, mein Magen knurrte und ich verfluchte mal wieder die Tatsache dass ich mein Auto pfänden musste um nicht aus meinem Apartment zu fliegen. Einen bösen juckenden Sonnenbrand auf meiner Nase später hatte ich das besagte Schiff gefunden. Ich weiß nicht genau wie Verbrecher ticken, aber ich habe noch nie etwas gesehen, dass so offensichtlich zur Mafia gehört. Auf dem Deck saß ein Kerl mit einem Maschinengewehr. Es war so als würde der Autor der Geschichte meines Lebens keine Lust haben genauer zu beschreiben wie ich auf die Idee kam die Sache genauer zu untersuchen. Ich war schon immer ein etwas komplizierter Mensch, so fand ich es zu einfach die Treppe nach oben zu nehmen. Abgesehen davon war es mir lieber den Tag ohne irgendwelche weiteren Löcher zu beenden.
Nach wenig Überlegung hatte ich die ideale Möglichkeit gefunden unbemerkt auf das Schiff zu kommen. Der Plan war zum Anker zu schwimmen, dessen Leine hinauf zu klettern und durch ein Bullauge an der Seite in das Innere zu gelangen. Ich war kurz davor meine Idee auszuführen als ich Geräusche vernahm. Schon das 2. Mal diesem Tag war jemand hinter mir aufgetaucht. „Uhm, entschuldigen sie, wissen sie wo hier eine Toilette ist?“, fragte der Schiffswächter mich. Das eine Mal in meinem Leben hatte die Göttin des Glücks also nicht aufgepasst und mir einen kleinen Funken Hoffnung gegeben. „Ja, gehen sie einfach immer weitere nach Norden. Irgendwann kommt dann eine Kneipe“, antwortete ich. Er bedankte sich und rannte in die von mir genannte Richtung davon. Sobald er aus meiner Sicht verschwunden war ging ich seelenruhig die Treppe hinauf auf das Deck. Selbst das Maschinengewehr hatte der Typ da gelassen. Die Mafia ist auch nicht mehr das was sie mal war. Oben angekommen sah ich mich um. Dort waren um die eintausend Kisten. Wie genau hat sich Iruini das vorgestellt? Erwartete er von mir jede einzelne aufzubrechen?
Ich hatte nicht viel Zeit mir darüber Gedanken zu machen. „So, so, der feine Herr hat also seine Handlanger geschickt um meine Pläne zu verhindern!“, ertönte eine tiefe Stimme über die Lautsprecher. Es folgte ein etwas unangenehmes Gefühl an meinem Hinterkopf. Jemand hatte mich zu Boden geschlagen. Alles um mich herum wurde schwarz. Doch kurz bevor ich das Bewusstsein verlor vernahm ich noch etwas: „Sie sind der schlechteste Detektiv der Welt, oder?“ Ich wollte „Nein, der Kerl aus der Fratösichen-Straße ist noch um einiges schlimmer“ antworten, doch ich bekam kein Wort mehr heraus. Sollte ich wirklich so sterben? Gut, eigentlich kann man an der Tatsache dass ich das alles hier erzähle entnehmen dass es nicht so war, doch ignorieren wir diese Tatsache einfach mal.