Prekasno

Zwei Wochen ist es her, dass sie ihn verlassen hat.
Ihre Augen brennen, sie hat viele Tränen geweint – Freizeichen. Sie schluchzt, drückt den Hörer in ihren schweißnassen Händen. Freizeichen.
Die Digitaluhr auf dem Telefon zeigt 16:52. Sie legt auf.
Die letzte U-Bahn zu ihm.

Zwei Wochen ist es her, dass sie ihn verlassen hat.
Hier draußen ist es dunkel und kalt, er gräbt die Hände in die Manteltaschen. Läuft die Betontreppe hinunter. Die Zeiger der großen Analoguhr, die über den Gleisen thront, stehen auf sechs vor fünf.
Er zweifelt.

Atemlos erreicht sie den Bahnhof, dröhnend fährt die U-Bahn ein.
Die Scheiben sind nicht sauberer als sonst. Sie setzt sich. Starrt in die Schwärze. Der Wagen rollt los.

Er ist unentschlossen.
Sein Hosensaum streift über Betonfliesen.
Er stellt sich an das Gleis, beugt sich vor. Kann die U-Bahn schon riechen, ihr Luftzug weht kühl um seine Nase.
Noch kann er umkehren.
Drei vor fünf.
Er denkt an sie. Denkt an ihn. Er denkt daran, wie sie gedankenverloren mit ihren Haaren spielt.
Nein, er kann nicht umkehren.

Gedankenverloren spielt sie mit ihren Haaren. Ihr ist übel, sie denkt an sein Lächeln.
Wann hat er wohl zuletzt gelächelt?
Ihre heißen Tränen bohren sich in das dreckverkrustete Sitzpolster.
Sie weiß, dass sie nicht um Vergebung flehen kann.
Aber sie weiß, sie muss es versuchen.
Sie denkt, Hoffentlich nicht zu spät.

Er hört das Rauschen des Zuges.
Jetzt oder nie.
Ein kleiner Satz, dann ist er unten auf den Knien.
Unter seinen Handflächen, eiskaltes Metall.

Dröhnend fährt die U-Bahn ein.

Als sie das Knacken vernimmt, nur ganz leise, als sie spürt wie der Zug gegen einen Widerstand drückt und ihn unter seinen Rädern zermalmt, weiß sie es.
Zu spät.
… Zu spät.