-lamia 2-
Eine zweite Remilia erschien plötzlich auf der Waldlichtung! Ich hätte überrascht sein sollen, hätte ich dies nicht schon vorhergesehen! Eine weitere Vampirprinzessin stürzte sich auf den unachtsamen Jeff und riss ihn mit sich, was Elaine, von der ich wusste, dass sie Remilia oh so viel bedeutete, aus der Unterdrückung durch ihn befreite. Ich vernahm kurz, wie der überrumpelte Vampir versuchte seine Partnerin mit einem lauten Ruf zu warnen, doch diese war in ihrem unüblichem Blutrausch, als sie immer und immer wieder auf die andere Remilia eintrat, taub zu allem geworden, das um sie herum geschah. Der Anblick, die Vleermuis so zugerichtet zu sehen, schmerzte mich etwas, doch wusste ich, nun, da sie ihre menschliche Freundin in Sicherheit wissen konnte, würde sie sich nicht mehr länger zurückhalten müssen.
Ich dachte mir, es musste für sie sein, wie in einen Spiegel zu sehen, als ihr eigener Körper aus den Baumwipfeln herab schoss und den bedrohlichen Missetäter, der ihre Elaine bedroht hatte, mit sich riss. Sie wusste diese nun in Sicherheit, so konnte sie kämpfen. Ich sah es in ihren Augen wie sie all ihre Schmerzen vergaß, die ihr die Tritte Lieblichs zugefügt hatten, und konnte beobachtete wie sich ein siegessicheres Grinsen auf ihre zarten Vampirlippen zauberte. Was sollte ich wissen, war es doch eben jenes Grinsen, dass ihre Peinigerin in ihrer Tobsucht zu stoppen vermochte. Deren Lachen verstummte prompt, als sie das Grinsen Remilias sah und ihren Partner sogleich vermisste. Gerade lange genug ließ sie ihren Blick suchend nach ihm schweifen, um der Vleermuis die Zeit zu geben, die sie brauchte, um das Blatt zu wenden. Wie äußerst dumm von einer talentierten Vampirjägerin. Ich hätte mehr von ihr erwartet!
Dracul packte sofort das Bein, welches sich bis soeben noch mit voller Wucht in ihren Magen gegraben hatte, und ein Schauer lief mir über den Rücken als ich die nächsten Worte der Prinzessin vernahm.
„Lass es mich dir zeigen…“ begann sie unheimlich, die Aufmerksamkeit Lieblichs wieder auf sich ziehend und deren vor Angst erfülltes Gesicht für einen Moment genießend.
„…das Geheimnis der Vleermuis, den Herren des Schwarms!“
Mit diesen Worten magischer Natur zerbarst der Körper der Vleermuis sofort in eine Unzahl an blutgierigen Fledermäusen…
Dies war es, das Markenzeichen ihrer Rasse, was ihr auch den Beinahmen Der Schwarm gab: Das Zerteilen in einen Schwarm aus Tieren. Es gab Fledermaus-Vleermuis, Schlangen-Vleermuis und Fliegen-Vleermuis, in dieser Reihenfolge vom stärksten zum schwächsten Blut aufgelistet, und sie hatten volle Kontrolle über jedes einzelne Tier in das sie sich teilten. Nach ihrer Zerteilung konnten sie sich immer wieder zu ihrem unverletzten Originalkörper regenerieren, solange auch nur ein einzelnes Stück ihres Körpers noch vorhanden war, was sie zu unvorstellbar fruchtbaren Gegnern machte. Das es eine eben solch mächtige Vampirrasse war, die innerhalb einer einzigen Nacht fast völlig ausgelöscht wurde war äußerst verwunderlich…
Remilias Schwarm machte sich bereits mit deren unzähligen scharfen Zähnen über den Körper der unvorbereiteten Vampirjägerin her. Sofort versuchte diese, mit einem Aufschrei dem Angriff zu entkommen und zog ihren Schirm hervor, um damit nach den vielen kleinen Körpern zu schlagen, doch waren ihre Gewinnchancen, dieser Übermacht gegenüber, in meinen Augen sehr gering anzusetzen.
Etwas abseits von den beiden jungen Frauen sah ich Jeff. Er hatte sich schnell von dem Schock des Überraschungsangriffes der zweiten Remilia erholt und richtete seine schwarze Klinge bereits kampfbereit auf sie. Er musterte sie nur kurz mit einem neugierigen Blick, bevor er ein selbstgefälliges Grinsen aufsetzte.
„Gewiss, ist es nicht Oshímu, der hier seine Freunde verrät?“ stellte er eine Scheinfrage.
Wie ich es schon lange getan hatte, so hatte auch er die wahre Identität der zweiten Prinzessin schnell durchschaut. Es war zu offensichtlich gewesen. Er hatte die beiden, die er so unsicher als seine Freunde bezeichnet hatte mit dem Mädchen abgewogen, welches auf den ersten Blick sein Herz gestohlen hatte und sich ohne lange zu zögern dafür entschieden, lieber auf ihrer, als auf deren Seite zu kämpfen.
„Wie lange war es, dass ich diesen Tag heran gesehnt hatte? Gewiss Oshímu, wirst du mir einen guten Kampf liefern!“ rief der Vampir dann, bevor er sich ohne viele Zierereien, mit einer Geschwindigkeit, die ich von hier nie und nimmer mitverfolgen konnte, auf seinen Gegner stürzte… doch war es für Oshímu anders. Durch Remilias Augen, den Augen einer vleermuisen Vampirprinzessin, sollten Jeffs Bewegungen wie in Zeitlupe erscheinen. Und so wich er einem Schwerthieb des Vampirs mit Leichtigkeit aus und konnte sogar die Chance nutzen, um in der gleichen Bewegung mit Remilias scharfen Klauen nach dem Oberkörper seines Wiedersachers auszuschlagen.
Jeff stoppte etwas hinter ihm und rammte angeschlagen seine Klinge in den Boden, um sich dann halb ärgerlich halb überrascht an die nun klaffende Wunde an seiner Brust zu fassen. Er konnte es nicht fassen, dass Oshímu seinen Angriff hatte abwehren können! Mit einem lauten Wutschrei zog er sogleich seine Klinge wieder aus dem Boden und attackierte mit vielen schnellen, unkordinierten Hieben erneut. Sein Gegner, im wendigen Körper der Vleermuis, wich mit leichtfüßigen Sprüngen von ihm zurück bis er das Paar Schwingen an seinem Rücken plötzlich in deren majestätische Breite spannte und sich mit deren Hilfe hoch über seinen Gegner in den Himmel katapultierte, weit außerhalb dessen Reichweite.
Ich beobachtete amüsiert das Aufeinandertreffen eines frechen Grinsens auf den Lippen der falschen Remilia mit einem weiteren Wutschrei Jeffs.
„Du kannst nicht fliegen, Jeff? Was für ein lahmer Vampiiiir!“ rief Oshímu und streckte seinem Gegner frech Remilias Zunge entgegen.
„Du unsportliches Biest! Kämpf wie ein Mann, Oshímu!“
Die vermeintliche Remilia kicherte, als sie ihren Kopf leicht schief legte und dann ihr den Saum ihres Kleides plötzlich weit nach oben zog und ihrem Gegner dabei ihre Unterwäsche darbot.
„Ich sehe hier keinen Mann!!“ rief Oshímu lachend aus, während er einen Rückwärtssalto in der Luft durchführte. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, als Jeffs Mund sich bei dieser Aktion sprachlos öffnete und sich eine leichte Röte in sein Gesicht verschlug. Er beobachtete verduzt, wie die falsche Vampirin verspielt am Himmel herum tanzte, nur um dann den Moment der Verwirrung ihres Gegners zu nutzen um plötzlich einen Speer aus brennend rotem Metall, umgeben von flammender Energie, zwischen ihren Fingern zu formen. Es war eine Waffe, fast doppelt so groß wie der kleine Körper, welcher sie einhändig führte. Ein rot schimmernder, magischer Speer, der sich in einer Spitze an seinem vorderen Ende verlief und genau hinter diesem ein großes, kräftiges Paar roter Vampirschwingen trug.
Ich kannte diese Waffe sehr gut. Ihr Name war Gungnir, der Speer des Odin. Sie war ein Erbstück in der Königsfamilie der Vleermuis, zusammen mit ihrem Gegenstück Lævateinn, dem Schwert der Zerstörung Lokis.
Ich hätte niemals gedacht, die Pracht dieser Waffe noch einmal sehen zu dürfen, nachdem man sie mir bereits einmal an die Kehle gehalten hatte… Sie war so wunderschön wie sie tödlich war. Remilias Vater, Bram, hatte den Speer vor ihr geführt, doch hatte sich dieser seitdem verändert. Die Flügel, die ich unter der Spitze des Speers sah, waren eine neue Addition, die Remilia getätigt haben musste, als ihr die Waffe übergeben worden war. Ich war interessiert zu sehen, wie diese sich auf den Kampf mit der Waffe auswirken würden… und durfte auch nicht lange darauf warten.
Anstatt den Speer, wie Remilias Vater, im Nahkampf zu verwenden holte Oshímu instinktiv mit einem weiteren Rückwärtssalto aus, bevor er den Speer mit voller Wucht nach seinem Gegner schleuderte. Egal wie gut oder schlecht er gezielt haben mochte, die Flügel des Speeres steuerten ihn auf direktem Weg zu seinem Ziel. In allerletzter Sekunde hob Jeff noch sein Schwert, um sich zu schützen, doch zerbarst die schwarze Klinge in seiner Hand wie eine Scheibe Glas bei der ersten Berührung mit der magischen Waffe welche sich dann sogleich durch die Brust des Vampirs bohrte, ihn mitriss und in den Boden nagelte. So verblieb die Waffe für einige Sekunden in ihm stecken, bis sie sich in Luft auflöste…
Das rote Licht des Speers hatte die gesamte Lichtung für die Dauer seiner Existenz in dessen Farbe getaucht und Lieblichs verzweifelter Versuch, Remilias Fledermausschwarm mit ihrem Schirm zurückzutreiben endete damit, als beide Kontrahenten kurz inne hielten und mit ansahen, wie Jeff aufgespießt wurde. Remilias Fledermäuse schienen länger von dem hellen Licht betäubt zu sein als deren Gegnerin, welche sich mit ihren unzähligen Biss- und Kratzverletzungen aus dem Schwarm befreien konnte und von dort sofort an die Seite ihres zu Boden gestreckten Partners stolperte.
Ich wusste es, die Gefühle im Körper dieses sonst so lieblosen Wesens wallten auf, als sie neben Jeff auf ihre Knie fiel und sich mit Tränen in ihren Augen seiner fatalen Wunde besah.
„… Nein … du bist … unverwundbar… nein … es kann nicht sein … du kannst nicht …“
Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich die Verzweiflung in ihrer Stimme spürte. Etwas war eingetreten, das sie nie und nimmer erwartet hatte... Sie hatte immer gehofft, er würde sie für immer beschützen, doch nun war es er, der sich selbst nicht schützen konnte.
„JEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEFF!!!!!!!!“
Der Wald verfiel in eine tragische Totenstille, nachdem der Schrei der Vampirjägerin verhallt war... Remilias Fledermäuse vereinten sich wieder und auch Oshímu kam zurück auf den Boden. Beide blieben sie stumm stehen, als ich gebannt beobachten konnten, wie sich Jeffs Hand langsam an die Wange Lieblichs erhob.
„Gewiss… … bin ich das…“
Die Worte des schon todgeglaubten Vampirs ließen Lieblichs Augen sich erweiten, bevor sie ihm nach einem kurzen Schock voller Ereichterung um den Hals fiel...
Einige Minuten waren vergangen, während alle still beobachteten, wie Elaine Jeffs wunden reinigte und verband. Es war ein weiteres Beispiel dafür, dass sie wahrlich keinen Ausnahmen machte, wenn es darum ging, jemandem zu helfen, dem es schlecht ging. Lieblich hatte sich in dieser Zeit wieder auf ihrem Baumstumpf niedergelassen und hatte niedergeschlagen zu Boden gestarrt. Sie hatte offensichtlich keine Worte mehr für die beiden Vampirprinzessinen übrig… sie hatte verloren und sah wohl keinen Grund, ihnen auch nur einen Blick zu würdigen.
Noch etwas später sah ich dann, wie die beiden Jäger sich nach einer kurzen Danksagung und Entschuldigung Elaine gegenüber von ihren vorherigen Gegnern entfernten. Ich vermutete, dass sie sicherlich nie wieder zurück kommen würden. Remilia und Oshímu blickten den beiden noch hinterher bis sie völlig verschwunden waren. Dann ließ die Fälschung sich erleichtert zu Boden sinken und sah zu, wie sein Ebenbild sofort an die Seite ihrer Freundin sprang, um sich nach deren Befinden zu erkundigen. Sein Blick wandte sich gen Himmel, von wo der Halbmond auf die Waldlichtung hinab schien. Es war also vorbei. Er hatte es tatsächlich getan. Er hatte sich auf die Seite eines Vampirs geschlagen und seine eigenen Freunde ihretwegen betrogen. Ich war stolz auf diese Kreatur, die sich, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, sosehr verändert hatte – und damit meine ich nicht dank ihrer Verwandlungsfähigkeit.
Oshímu ließ sich auf seinen Rücken fallen und wartete. Er wartete, bis die Vampirin und die Ärztin mit deren Gespräch fertig sein würden und er wartete, bis er einschlief, bis Remilias liebliche Hand ihn dann plötzlich wieder aus dem Schlaf rüttelte.
„Hey, ist alles ok mit dir?“
Während des Schlafens hatte Oshímus Tarnung sich aufgelöst. Sein graublaues Haar war wirr, lang und schwarz geworden, sein Rüschenkleid zu einem schwarzen Tanktop und engen Shorts und sein mädchenhafter Körper zu dem eines schlanken Jungen. So sah er also aus, wenn er nichts zu verbergen hatte – nicht gerade was ich erwartet hatte.
Das hübsche Gesicht der Vampirin hing knapp über dem seinem als sie ihn nach seinem Wohl befragte, woraufhin er leicht von ihr zurück wich und seinen Körper besah. Zum Glück, er war nicht verletzt.
„Alles ok. Dein Körper war ziemlich nützlich~“ erwiderte er schief lächelnd und richtete sich in eine sitzende Position Remilia gegenüber auf. Nun wich sie etwas zurück, wand ihren Blick von ihm ab und drehte ihre Augen leicht.
„D-das… habe ich gesehen.“ sagte sie, während leichte Röte in ihr Gesicht stieg und sie zur Seite von ihm wegsah.
Oshímu musste daraufhin grinsen. Es war offensichtlich, dass sie sich dabei auf die Unterwäsche-Aktion im vorherigen Kampf bezog…
„…aber gut… “ begann sie dann beruhigt. „Wer bist du, und warum hast du uns geholfen?“ fragte sie, offensichtlich nicht wirklich eingeschnappt wegen dem, was er getan hatte.
Diese Frage, ich wusste es, war eine solche, die Oshímu nur ungern beantworten mochte… doch zu meiner Überraschung nickte er sofort zu sich selbst und gab ihr lächelnd eine Antwort.
„Ich bin Envy Oshímu, ein Gestaltwandler. Ich hoffe, ich war euch behilflich.“
Envy… Das war also sein wahrer Name?
„Wir haben uns heute Abend schon einmal getroffen.“ sagte er dann und hob seine rechte Hand, an dessen Ringfinger er einen goldenen Ring mit einem Smaragd trug.
Als Remilia diesen wiedererkannte war das Erstaunen ihrerseits enorm. Es war jener Ring, den sie einige Stunden zuvor einer kleinen Fee verkauft hatte.
„Diese Fee… das warst du?“ fragte sie ungläubig, woraufhin der Gestaltwandler leicht mit seinem Kopf nickte, dann jedoch einen überraschend ernsten Blick aufsetzte.
„Ja, ich war die Fee, ich war du und… …" er zögerte kurz, doch raffte sich dann dazu, weiterzusprechen "… und ich war der Mörder deiner Mutter.“
…Ich gebe zu, ich hatte nicht erwartet, dass er ihr dies so einfach ins Gesicht sagen würde, doch ihre Reaktion entsprach noch weniger meinen Erwartungen. Remilias Pupillen hatten sich kurz überrascht zusammen gezogen, doch abseits jeder Wut, die sie aufgrund dieses Faktes für ihn empfinden hätte könnte, schloss sie einfach ihre Augen und atmete einmal tief ein und wieder aus.
„Das… kann ich dir verzeihen, denn heute hast du dafür das meine gerettet.“
Sie öffnete ihre Augen wieder und lächelte dem Gestaltwandler glücklich ins Gesicht.
„Ich danke dir, Envy.“
…
Und hiermit hatte ich genug gesehen...
Mit einem Lächeln auf meinen Lippen strich ich sanft mit meiner Hand über die große kristallenen Kugel vor mir, woraufhin das Bild der Waldlichtung aus deren Inneren verschwand und das Licht in den Raum zurückkehrte, in dem ich mich befand - mein Arbeitszimmer. Kurz streckte ich meine großen Schmetterlingsflügel, da diese von dem langen Herumsitzen eingeschlafen waren, bevor ich mich von dem weichen Stuhl, auf dem ich bis zu diesem Moment gesessen hatte, erhob.
„…Lucia, deine Tochter hat eine schwere Prüfung in ihrem Leben überstanden…“ sprach ich zu mir selbst und warf ein schwarzes Tuch über meine Kristallkugel.
„Ja, sie hat deinem Mörder verziehen und ihre Vergangenheit damit abgelegt. Sie hat sich eine Zukunft verdient, die Abseits deiner Regeln liegt.“
Ich trat langsam durch mein Arbeitszimmer, vom kleinen Tisch meiner Kristallkugel zu einem großen Tisch voller Papiere unterschiedlichster Wichtigkeit.
„Ich sehe eine schöne Zeit in ihrer nahen Zukunft, voller Freude und Liebe, doch soll auch diese Zeit nicht für ewig dauern. Ich sehe das Ende dieser Welt, wie wir sie kennen, am Horizont der Zeit, der Grenze meiner Fähigkeiten. Was danach kommt… niemand kann es wohl erahnen. Warscheinlich wird die Welt im Chaos versinken…“
Ich nahm eines der Papiere vom Tisch und besah es mir. Ich hatte es mir zuvor bereits mehrmals durchgelesen. Auf ihm stand geschrieben, dass das Königreich der Vleermuis, Yarasa und Liliac an einen nahen verwandten Testa del Levres abgetreten wurde. Jemandem, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Mir, Delaila Nahkhiir, so stand es hier, wäre die Herrschaft über diese Reiche entsagt worden, da ich für den Mord an den Herrschern dieser drei Länder verdächtigt werde. Ich hatte diesen Lauf der Dinge nicht vorhergesehen… und mein Plan, die Herrschaft über die Vampire dieses Kontinents zu erlagen, war somit vollends gescheitert.
„…meine Fähigkeiten sind nicht unfehlbar.“ kommentierte ich dies ruhig zu mir selbst und das Stück Papier in meiner Hand fing Feuer bevor ich es zurück zu den anderen auf den Tisch legte und beobachtete, wie die Flammen von ihm auf alle die anderen und den Tisch selbst, auf dem sie alle lagen, übersprangen. Ich betrachtete das lodernde Feuer kurz mit einem Lächeln, bevor ich meinen Blick zu den mit Vorhängen verhangenen Fenstern meines Arbeitszimmers warf. Mit einer magischen Handbewegung öffnete ich all die Vorhänge und erlaubte mir einen Blick auf den Rest meines in den verschneiten Bergen thronenden Schlosses.
Schmetterlingsgeflügelte Vampire wuselten hektisch durch die kalte Bergluft, gejagt von einem Zwillingspaar massiver Bestien, die aus deren tiefen Rachen zerstörerische Flammen spien. Ich trat an das Fenster und blickte mit einem meinem vortwährenden Lächeln auf die Zerstörung hinaus, die die Monster bereits unter ihrem tosenden Gebrüll angerichtet hatten. Ich sah, Türme waren zerstört worden, Gebäudeteile brannten lichterloh und unzählige Vampirleben waren erloschen...
Während ich dies besah bemerkte mich eine der beiden schuppigen Kreaturen und erschien sogleich vor meinem Fenster, wobei die Luftströme seiner gigantischen schlagenden Schwingen das Glas zwischen uns sofort zerbersten ließen.
„Ääääääääär!! Näääähkhyyyyyr, däyn Schloss yst än Flämmän!! Däyn Läbyn… folgt yhm gläyyych!!“
Das stürmische Brüllen der gigantischen Kreatur ließ den Turm, in dem sich mein Arbeitszimmer befand, erbeben. Das Monstrum vor mir war Levresias, der alte Hauswyvern der Levres – er folgte nun den Yarasa. Mit ihm gekommen um mich zu zerstören war die junge Bestie der Liliac, Lilribirius der Goldene.
„Ich habe es kommen sehen, alter Teufel. Nun, ohne viele Worte, darf ich dich bitten, deine Arbeit zu tun.“
Ich hatte mich mit meinem Schicksal abgefunden und breite meine Arme aus, zeigte mich schutzlos und erwartete die kalte Umarmung des Todes. Ich hatte mein Leben verspielt, auch wenn diese beiden nicht Rache an mir zu üben wünschten. Sie waren wohl gekommen, auf Befehl ihres neuen Meisters, dieses unbekannten Vampirs, der all mein hart ersuchtes Erbe an sich riss.
„Ääääär… Dy byst äyn wäyses ältys Wäyyyyyyb bys zy däynäm Änd'!! Yääääär… nyn zy däynäm Äääänd'!!“
Mit diesen Worten öffnete sich Levresias weites Maul und füllte den Turm, in dem ich mich befand, mit aus seinem Rachen quellenden lodernden Flammen, die alles an sich nahmen, was sie verlangten…
Eine zweite Remilia erschien plötzlich auf der Waldlichtung! Ich hätte überrascht sein sollen, hätte ich dies nicht schon vorhergesehen! Eine weitere Vampirprinzessin stürzte sich auf den unachtsamen Jeff und riss ihn mit sich, was Elaine, von der ich wusste, dass sie Remilia oh so viel bedeutete, aus der Unterdrückung durch ihn befreite. Ich vernahm kurz, wie der überrumpelte Vampir versuchte seine Partnerin mit einem lauten Ruf zu warnen, doch diese war in ihrem unüblichem Blutrausch, als sie immer und immer wieder auf die andere Remilia eintrat, taub zu allem geworden, das um sie herum geschah. Der Anblick, die Vleermuis so zugerichtet zu sehen, schmerzte mich etwas, doch wusste ich, nun, da sie ihre menschliche Freundin in Sicherheit wissen konnte, würde sie sich nicht mehr länger zurückhalten müssen.
Ich dachte mir, es musste für sie sein, wie in einen Spiegel zu sehen, als ihr eigener Körper aus den Baumwipfeln herab schoss und den bedrohlichen Missetäter, der ihre Elaine bedroht hatte, mit sich riss. Sie wusste diese nun in Sicherheit, so konnte sie kämpfen. Ich sah es in ihren Augen wie sie all ihre Schmerzen vergaß, die ihr die Tritte Lieblichs zugefügt hatten, und konnte beobachtete wie sich ein siegessicheres Grinsen auf ihre zarten Vampirlippen zauberte. Was sollte ich wissen, war es doch eben jenes Grinsen, dass ihre Peinigerin in ihrer Tobsucht zu stoppen vermochte. Deren Lachen verstummte prompt, als sie das Grinsen Remilias sah und ihren Partner sogleich vermisste. Gerade lange genug ließ sie ihren Blick suchend nach ihm schweifen, um der Vleermuis die Zeit zu geben, die sie brauchte, um das Blatt zu wenden. Wie äußerst dumm von einer talentierten Vampirjägerin. Ich hätte mehr von ihr erwartet!
Dracul packte sofort das Bein, welches sich bis soeben noch mit voller Wucht in ihren Magen gegraben hatte, und ein Schauer lief mir über den Rücken als ich die nächsten Worte der Prinzessin vernahm.
„Lass es mich dir zeigen…“ begann sie unheimlich, die Aufmerksamkeit Lieblichs wieder auf sich ziehend und deren vor Angst erfülltes Gesicht für einen Moment genießend.
„…das Geheimnis der Vleermuis, den Herren des Schwarms!“
Mit diesen Worten magischer Natur zerbarst der Körper der Vleermuis sofort in eine Unzahl an blutgierigen Fledermäusen…
Dies war es, das Markenzeichen ihrer Rasse, was ihr auch den Beinahmen Der Schwarm gab: Das Zerteilen in einen Schwarm aus Tieren. Es gab Fledermaus-Vleermuis, Schlangen-Vleermuis und Fliegen-Vleermuis, in dieser Reihenfolge vom stärksten zum schwächsten Blut aufgelistet, und sie hatten volle Kontrolle über jedes einzelne Tier in das sie sich teilten. Nach ihrer Zerteilung konnten sie sich immer wieder zu ihrem unverletzten Originalkörper regenerieren, solange auch nur ein einzelnes Stück ihres Körpers noch vorhanden war, was sie zu unvorstellbar fruchtbaren Gegnern machte. Das es eine eben solch mächtige Vampirrasse war, die innerhalb einer einzigen Nacht fast völlig ausgelöscht wurde war äußerst verwunderlich…
Remilias Schwarm machte sich bereits mit deren unzähligen scharfen Zähnen über den Körper der unvorbereiteten Vampirjägerin her. Sofort versuchte diese, mit einem Aufschrei dem Angriff zu entkommen und zog ihren Schirm hervor, um damit nach den vielen kleinen Körpern zu schlagen, doch waren ihre Gewinnchancen, dieser Übermacht gegenüber, in meinen Augen sehr gering anzusetzen.
Etwas abseits von den beiden jungen Frauen sah ich Jeff. Er hatte sich schnell von dem Schock des Überraschungsangriffes der zweiten Remilia erholt und richtete seine schwarze Klinge bereits kampfbereit auf sie. Er musterte sie nur kurz mit einem neugierigen Blick, bevor er ein selbstgefälliges Grinsen aufsetzte.
„Gewiss, ist es nicht Oshímu, der hier seine Freunde verrät?“ stellte er eine Scheinfrage.
Wie ich es schon lange getan hatte, so hatte auch er die wahre Identität der zweiten Prinzessin schnell durchschaut. Es war zu offensichtlich gewesen. Er hatte die beiden, die er so unsicher als seine Freunde bezeichnet hatte mit dem Mädchen abgewogen, welches auf den ersten Blick sein Herz gestohlen hatte und sich ohne lange zu zögern dafür entschieden, lieber auf ihrer, als auf deren Seite zu kämpfen.
„Wie lange war es, dass ich diesen Tag heran gesehnt hatte? Gewiss Oshímu, wirst du mir einen guten Kampf liefern!“ rief der Vampir dann, bevor er sich ohne viele Zierereien, mit einer Geschwindigkeit, die ich von hier nie und nimmer mitverfolgen konnte, auf seinen Gegner stürzte… doch war es für Oshímu anders. Durch Remilias Augen, den Augen einer vleermuisen Vampirprinzessin, sollten Jeffs Bewegungen wie in Zeitlupe erscheinen. Und so wich er einem Schwerthieb des Vampirs mit Leichtigkeit aus und konnte sogar die Chance nutzen, um in der gleichen Bewegung mit Remilias scharfen Klauen nach dem Oberkörper seines Wiedersachers auszuschlagen.
Jeff stoppte etwas hinter ihm und rammte angeschlagen seine Klinge in den Boden, um sich dann halb ärgerlich halb überrascht an die nun klaffende Wunde an seiner Brust zu fassen. Er konnte es nicht fassen, dass Oshímu seinen Angriff hatte abwehren können! Mit einem lauten Wutschrei zog er sogleich seine Klinge wieder aus dem Boden und attackierte mit vielen schnellen, unkordinierten Hieben erneut. Sein Gegner, im wendigen Körper der Vleermuis, wich mit leichtfüßigen Sprüngen von ihm zurück bis er das Paar Schwingen an seinem Rücken plötzlich in deren majestätische Breite spannte und sich mit deren Hilfe hoch über seinen Gegner in den Himmel katapultierte, weit außerhalb dessen Reichweite.
Ich beobachtete amüsiert das Aufeinandertreffen eines frechen Grinsens auf den Lippen der falschen Remilia mit einem weiteren Wutschrei Jeffs.
„Du kannst nicht fliegen, Jeff? Was für ein lahmer Vampiiiir!“ rief Oshímu und streckte seinem Gegner frech Remilias Zunge entgegen.
„Du unsportliches Biest! Kämpf wie ein Mann, Oshímu!“
Die vermeintliche Remilia kicherte, als sie ihren Kopf leicht schief legte und dann ihr den Saum ihres Kleides plötzlich weit nach oben zog und ihrem Gegner dabei ihre Unterwäsche darbot.
„Ich sehe hier keinen Mann!!“ rief Oshímu lachend aus, während er einen Rückwärtssalto in der Luft durchführte. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, als Jeffs Mund sich bei dieser Aktion sprachlos öffnete und sich eine leichte Röte in sein Gesicht verschlug. Er beobachtete verduzt, wie die falsche Vampirin verspielt am Himmel herum tanzte, nur um dann den Moment der Verwirrung ihres Gegners zu nutzen um plötzlich einen Speer aus brennend rotem Metall, umgeben von flammender Energie, zwischen ihren Fingern zu formen. Es war eine Waffe, fast doppelt so groß wie der kleine Körper, welcher sie einhändig führte. Ein rot schimmernder, magischer Speer, der sich in einer Spitze an seinem vorderen Ende verlief und genau hinter diesem ein großes, kräftiges Paar roter Vampirschwingen trug.
Ich kannte diese Waffe sehr gut. Ihr Name war Gungnir, der Speer des Odin. Sie war ein Erbstück in der Königsfamilie der Vleermuis, zusammen mit ihrem Gegenstück Lævateinn, dem Schwert der Zerstörung Lokis.
Ich hätte niemals gedacht, die Pracht dieser Waffe noch einmal sehen zu dürfen, nachdem man sie mir bereits einmal an die Kehle gehalten hatte… Sie war so wunderschön wie sie tödlich war. Remilias Vater, Bram, hatte den Speer vor ihr geführt, doch hatte sich dieser seitdem verändert. Die Flügel, die ich unter der Spitze des Speers sah, waren eine neue Addition, die Remilia getätigt haben musste, als ihr die Waffe übergeben worden war. Ich war interessiert zu sehen, wie diese sich auf den Kampf mit der Waffe auswirken würden… und durfte auch nicht lange darauf warten.
Anstatt den Speer, wie Remilias Vater, im Nahkampf zu verwenden holte Oshímu instinktiv mit einem weiteren Rückwärtssalto aus, bevor er den Speer mit voller Wucht nach seinem Gegner schleuderte. Egal wie gut oder schlecht er gezielt haben mochte, die Flügel des Speeres steuerten ihn auf direktem Weg zu seinem Ziel. In allerletzter Sekunde hob Jeff noch sein Schwert, um sich zu schützen, doch zerbarst die schwarze Klinge in seiner Hand wie eine Scheibe Glas bei der ersten Berührung mit der magischen Waffe welche sich dann sogleich durch die Brust des Vampirs bohrte, ihn mitriss und in den Boden nagelte. So verblieb die Waffe für einige Sekunden in ihm stecken, bis sie sich in Luft auflöste…
Das rote Licht des Speers hatte die gesamte Lichtung für die Dauer seiner Existenz in dessen Farbe getaucht und Lieblichs verzweifelter Versuch, Remilias Fledermausschwarm mit ihrem Schirm zurückzutreiben endete damit, als beide Kontrahenten kurz inne hielten und mit ansahen, wie Jeff aufgespießt wurde. Remilias Fledermäuse schienen länger von dem hellen Licht betäubt zu sein als deren Gegnerin, welche sich mit ihren unzähligen Biss- und Kratzverletzungen aus dem Schwarm befreien konnte und von dort sofort an die Seite ihres zu Boden gestreckten Partners stolperte.
Ich wusste es, die Gefühle im Körper dieses sonst so lieblosen Wesens wallten auf, als sie neben Jeff auf ihre Knie fiel und sich mit Tränen in ihren Augen seiner fatalen Wunde besah.
„… Nein … du bist … unverwundbar… nein … es kann nicht sein … du kannst nicht …“
Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich die Verzweiflung in ihrer Stimme spürte. Etwas war eingetreten, das sie nie und nimmer erwartet hatte... Sie hatte immer gehofft, er würde sie für immer beschützen, doch nun war es er, der sich selbst nicht schützen konnte.
„JEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEFF!!!!!!!!“
Der Wald verfiel in eine tragische Totenstille, nachdem der Schrei der Vampirjägerin verhallt war... Remilias Fledermäuse vereinten sich wieder und auch Oshímu kam zurück auf den Boden. Beide blieben sie stumm stehen, als ich gebannt beobachten konnten, wie sich Jeffs Hand langsam an die Wange Lieblichs erhob.
„Gewiss… … bin ich das…“
Die Worte des schon todgeglaubten Vampirs ließen Lieblichs Augen sich erweiten, bevor sie ihm nach einem kurzen Schock voller Ereichterung um den Hals fiel...
Einige Minuten waren vergangen, während alle still beobachteten, wie Elaine Jeffs wunden reinigte und verband. Es war ein weiteres Beispiel dafür, dass sie wahrlich keinen Ausnahmen machte, wenn es darum ging, jemandem zu helfen, dem es schlecht ging. Lieblich hatte sich in dieser Zeit wieder auf ihrem Baumstumpf niedergelassen und hatte niedergeschlagen zu Boden gestarrt. Sie hatte offensichtlich keine Worte mehr für die beiden Vampirprinzessinen übrig… sie hatte verloren und sah wohl keinen Grund, ihnen auch nur einen Blick zu würdigen.
Noch etwas später sah ich dann, wie die beiden Jäger sich nach einer kurzen Danksagung und Entschuldigung Elaine gegenüber von ihren vorherigen Gegnern entfernten. Ich vermutete, dass sie sicherlich nie wieder zurück kommen würden. Remilia und Oshímu blickten den beiden noch hinterher bis sie völlig verschwunden waren. Dann ließ die Fälschung sich erleichtert zu Boden sinken und sah zu, wie sein Ebenbild sofort an die Seite ihrer Freundin sprang, um sich nach deren Befinden zu erkundigen. Sein Blick wandte sich gen Himmel, von wo der Halbmond auf die Waldlichtung hinab schien. Es war also vorbei. Er hatte es tatsächlich getan. Er hatte sich auf die Seite eines Vampirs geschlagen und seine eigenen Freunde ihretwegen betrogen. Ich war stolz auf diese Kreatur, die sich, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, sosehr verändert hatte – und damit meine ich nicht dank ihrer Verwandlungsfähigkeit.
Oshímu ließ sich auf seinen Rücken fallen und wartete. Er wartete, bis die Vampirin und die Ärztin mit deren Gespräch fertig sein würden und er wartete, bis er einschlief, bis Remilias liebliche Hand ihn dann plötzlich wieder aus dem Schlaf rüttelte.
„Hey, ist alles ok mit dir?“
Während des Schlafens hatte Oshímus Tarnung sich aufgelöst. Sein graublaues Haar war wirr, lang und schwarz geworden, sein Rüschenkleid zu einem schwarzen Tanktop und engen Shorts und sein mädchenhafter Körper zu dem eines schlanken Jungen. So sah er also aus, wenn er nichts zu verbergen hatte – nicht gerade was ich erwartet hatte.
Das hübsche Gesicht der Vampirin hing knapp über dem seinem als sie ihn nach seinem Wohl befragte, woraufhin er leicht von ihr zurück wich und seinen Körper besah. Zum Glück, er war nicht verletzt.
„Alles ok. Dein Körper war ziemlich nützlich~“ erwiderte er schief lächelnd und richtete sich in eine sitzende Position Remilia gegenüber auf. Nun wich sie etwas zurück, wand ihren Blick von ihm ab und drehte ihre Augen leicht.
„D-das… habe ich gesehen.“ sagte sie, während leichte Röte in ihr Gesicht stieg und sie zur Seite von ihm wegsah.
Oshímu musste daraufhin grinsen. Es war offensichtlich, dass sie sich dabei auf die Unterwäsche-Aktion im vorherigen Kampf bezog…
„…aber gut… “ begann sie dann beruhigt. „Wer bist du, und warum hast du uns geholfen?“ fragte sie, offensichtlich nicht wirklich eingeschnappt wegen dem, was er getan hatte.
Diese Frage, ich wusste es, war eine solche, die Oshímu nur ungern beantworten mochte… doch zu meiner Überraschung nickte er sofort zu sich selbst und gab ihr lächelnd eine Antwort.
„Ich bin Envy Oshímu, ein Gestaltwandler. Ich hoffe, ich war euch behilflich.“
Envy… Das war also sein wahrer Name?
„Wir haben uns heute Abend schon einmal getroffen.“ sagte er dann und hob seine rechte Hand, an dessen Ringfinger er einen goldenen Ring mit einem Smaragd trug.
Als Remilia diesen wiedererkannte war das Erstaunen ihrerseits enorm. Es war jener Ring, den sie einige Stunden zuvor einer kleinen Fee verkauft hatte.
„Diese Fee… das warst du?“ fragte sie ungläubig, woraufhin der Gestaltwandler leicht mit seinem Kopf nickte, dann jedoch einen überraschend ernsten Blick aufsetzte.
„Ja, ich war die Fee, ich war du und… …" er zögerte kurz, doch raffte sich dann dazu, weiterzusprechen "… und ich war der Mörder deiner Mutter.“
…Ich gebe zu, ich hatte nicht erwartet, dass er ihr dies so einfach ins Gesicht sagen würde, doch ihre Reaktion entsprach noch weniger meinen Erwartungen. Remilias Pupillen hatten sich kurz überrascht zusammen gezogen, doch abseits jeder Wut, die sie aufgrund dieses Faktes für ihn empfinden hätte könnte, schloss sie einfach ihre Augen und atmete einmal tief ein und wieder aus.
„Das… kann ich dir verzeihen, denn heute hast du dafür das meine gerettet.“
Sie öffnete ihre Augen wieder und lächelte dem Gestaltwandler glücklich ins Gesicht.
„Ich danke dir, Envy.“
…
Und hiermit hatte ich genug gesehen...
Mit einem Lächeln auf meinen Lippen strich ich sanft mit meiner Hand über die große kristallenen Kugel vor mir, woraufhin das Bild der Waldlichtung aus deren Inneren verschwand und das Licht in den Raum zurückkehrte, in dem ich mich befand - mein Arbeitszimmer. Kurz streckte ich meine großen Schmetterlingsflügel, da diese von dem langen Herumsitzen eingeschlafen waren, bevor ich mich von dem weichen Stuhl, auf dem ich bis zu diesem Moment gesessen hatte, erhob.
„…Lucia, deine Tochter hat eine schwere Prüfung in ihrem Leben überstanden…“ sprach ich zu mir selbst und warf ein schwarzes Tuch über meine Kristallkugel.
„Ja, sie hat deinem Mörder verziehen und ihre Vergangenheit damit abgelegt. Sie hat sich eine Zukunft verdient, die Abseits deiner Regeln liegt.“
Ich trat langsam durch mein Arbeitszimmer, vom kleinen Tisch meiner Kristallkugel zu einem großen Tisch voller Papiere unterschiedlichster Wichtigkeit.
„Ich sehe eine schöne Zeit in ihrer nahen Zukunft, voller Freude und Liebe, doch soll auch diese Zeit nicht für ewig dauern. Ich sehe das Ende dieser Welt, wie wir sie kennen, am Horizont der Zeit, der Grenze meiner Fähigkeiten. Was danach kommt… niemand kann es wohl erahnen. Warscheinlich wird die Welt im Chaos versinken…“
Ich nahm eines der Papiere vom Tisch und besah es mir. Ich hatte es mir zuvor bereits mehrmals durchgelesen. Auf ihm stand geschrieben, dass das Königreich der Vleermuis, Yarasa und Liliac an einen nahen verwandten Testa del Levres abgetreten wurde. Jemandem, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Mir, Delaila Nahkhiir, so stand es hier, wäre die Herrschaft über diese Reiche entsagt worden, da ich für den Mord an den Herrschern dieser drei Länder verdächtigt werde. Ich hatte diesen Lauf der Dinge nicht vorhergesehen… und mein Plan, die Herrschaft über die Vampire dieses Kontinents zu erlagen, war somit vollends gescheitert.
„…meine Fähigkeiten sind nicht unfehlbar.“ kommentierte ich dies ruhig zu mir selbst und das Stück Papier in meiner Hand fing Feuer bevor ich es zurück zu den anderen auf den Tisch legte und beobachtete, wie die Flammen von ihm auf alle die anderen und den Tisch selbst, auf dem sie alle lagen, übersprangen. Ich betrachtete das lodernde Feuer kurz mit einem Lächeln, bevor ich meinen Blick zu den mit Vorhängen verhangenen Fenstern meines Arbeitszimmers warf. Mit einer magischen Handbewegung öffnete ich all die Vorhänge und erlaubte mir einen Blick auf den Rest meines in den verschneiten Bergen thronenden Schlosses.
Schmetterlingsgeflügelte Vampire wuselten hektisch durch die kalte Bergluft, gejagt von einem Zwillingspaar massiver Bestien, die aus deren tiefen Rachen zerstörerische Flammen spien. Ich trat an das Fenster und blickte mit einem meinem vortwährenden Lächeln auf die Zerstörung hinaus, die die Monster bereits unter ihrem tosenden Gebrüll angerichtet hatten. Ich sah, Türme waren zerstört worden, Gebäudeteile brannten lichterloh und unzählige Vampirleben waren erloschen...
Während ich dies besah bemerkte mich eine der beiden schuppigen Kreaturen und erschien sogleich vor meinem Fenster, wobei die Luftströme seiner gigantischen schlagenden Schwingen das Glas zwischen uns sofort zerbersten ließen.
„Ääääääääär!! Näääähkhyyyyyr, däyn Schloss yst än Flämmän!! Däyn Läbyn… folgt yhm gläyyych!!“
Das stürmische Brüllen der gigantischen Kreatur ließ den Turm, in dem sich mein Arbeitszimmer befand, erbeben. Das Monstrum vor mir war Levresias, der alte Hauswyvern der Levres – er folgte nun den Yarasa. Mit ihm gekommen um mich zu zerstören war die junge Bestie der Liliac, Lilribirius der Goldene.
„Ich habe es kommen sehen, alter Teufel. Nun, ohne viele Worte, darf ich dich bitten, deine Arbeit zu tun.“
Ich hatte mich mit meinem Schicksal abgefunden und breite meine Arme aus, zeigte mich schutzlos und erwartete die kalte Umarmung des Todes. Ich hatte mein Leben verspielt, auch wenn diese beiden nicht Rache an mir zu üben wünschten. Sie waren wohl gekommen, auf Befehl ihres neuen Meisters, dieses unbekannten Vampirs, der all mein hart ersuchtes Erbe an sich riss.
„Ääääär… Dy byst äyn wäyses ältys Wäyyyyyyb bys zy däynäm Änd'!! Yääääär… nyn zy däynäm Äääänd'!!“
Mit diesen Worten öffnete sich Levresias weites Maul und füllte den Turm, in dem ich mich befand, mit aus seinem Rachen quellenden lodernden Flammen, die alles an sich nahmen, was sie verlangten…