Part V – Monlis Davinc
Hera ließ sich auf einer Stufe aus Marmor nieder, die sie am Rand des Raumes der Mona Lisa fand. Sie lehnte sich an die Wand hinter ihr und stützte ihr Kinn auf ihre Handflächen während sie mit einem nach wie vor undurchschaubaren Blick Norton beobachtete. Dieser hatte Vice auf eine andere Marmorstufe gesetzt und ihr etwas zum trinken gegeben, das sie recht schnell wieder aufgepäppelt zu haben schien. Zur Überraschung Heras, hatte die Gestaltwandlerin ihre neu gefundene Kraft jedoch nicht dazu genutzt, sofort zu versuchen, die Flucht zu ergreifen, sondern war ruhig auf der Stufe sitzengeblieben, wo Norton nun neben ihr Platz nahm und sie freundlich anlächelte.
„Schön zu sehen, dass du so intelligent bist, wie ich erwartet habe.“ meinte er zu ihr und hielt ihr einen Kaugummistreifen hin, den Vice sofort an sich nahm, auspackte und in ihren Mund steckte.
„Haha… ja, du bist, wie du mir beschrieben wurdest.“ setzte er fort, woraufhin das Mädchen ihn aus ihren Augenwinkeln anblickte.
„Sie sagten, sie können mir einen besseren Pfad in meinem Leben zeigen. Wie wollen sie das anstellen?“ begann sie kühl, jedoch interessiert. „Sie sagten, sie kennen meine Vergangenheit. Mit dieser Vergangenheit kann meine Zukunft unmöglich besser werden.“
Norton war etwas erstaunt, wie gesprächig sein Gegenüber doch war, jedoch ließ er sich dadurch nicht aus der Fassung bringen. Immerhin, es machte es nur leichter für ihn, seinen Standpunkt zu erklären.
„Meine Freundin da drüben kann deine Vergangenheit versiegeln, was es dir erleichtern wird ohne Schuldgefühle ein neues Leben zu beginnen. Auf diesem Grundstein kann ich dir dann helfen, ein Leben aufzubauen, in dem du deine Taten bereinigen kannst.“
„Sie hat Una zerstört. Wie kannst du mir versichern, dass mein Schicksal nicht das Selbe ist, wenn ich dir vertraue.“
„Una? … Ah, du sprichst von Rothen. Keine Sorge, um deine Vergangenheit zu versiegeln müsst ihr nicht kämpfen, außer du würdest dich dabei wehren, versteht sich.“
Vice sprang auf ihre Beine und blickte den jungen Mann Kaugummi kauend an. Stumm überlegend blies sie eine Kaugummiblase, die sie dann mit ihren Zähnen platzen ließ und wieder in ihren Mund zurückzog um weiter daran herum zu kauen.
„Was hast du mit mir vor?“ fragte sie dann, weiterkauend.
„The City Safers.“ warf Hera ein und näherte sich den beiden anderen nun. Norton blickte dabei zu ihr und hob seine Augenbrauen. Er hatte nicht erwartet, dass sie ihn durchschauen würde.
„The City Safers… was meint sie?“ fragte Vice ihn dann sofort und stoppte zu kauen.
„Es dir jetzt zu erklären wäre nutzlos, da wir deine Vergangenheit später sowieso erneuern. Was du wissen musst ist, das du dieser Stadt sehr nützlich sein wirst, wenn du uns unterstützt.“
„The City Safers. Aber warum…?“ Norton schüttelte seinen Kopf auf Vice Frage hin. Er hatte keinen Willen, ihr mehr zu erzählen, als sie wissen musste.
Ein Grinsen zog sich über die Lippen des Mädchens.
„The City. Viele Personen scheinen hier am planen zu sein und nur die wenigsten wollen andere etwas davon wissen lassen. Silver, du, die Wissenschaftler, die mich erschaffen haben, diese Polizistin, meine Freunde… Geheimnisse und ungelöste Rätsel überall. Ich will Antworten darauf. Antworten, die mich zufrieden stellen.“
Norton beobachtete wie sich die Augen von Vice weiten und ihr Schweif unruhig wurde. Sie kaute ihren Kaugummi nun mit offensichtlichen, kräftigen Mundbewegungen. Er konnte es sich nicht verkneifen, aufzustehen und sie in seine Arme zu nehmen. Er konnte spüren, wie Vice in seinen Armen erstarrte, jede Regung ihren Körper verließ.
„Du bist wissbegierig wie keine andere, Vice Elberough. Du wirst eine gute Heldin abgeben, die niemals aufgibt. Schließ dich uns an. The City braucht jemanden wie dich. Deine Antworten, alle Antworten, die du dir wünschen könntest, liegen auf diesem Weg.“
Vice schloss ihre Augen.
„Danke…“ kam es leise über ihre Lippen, bevor sie ihre Augen wieder öffnete und Norton sie losließ. Er wich von ihr zurück und blickte zu Hera, welche ihm ihre geöffnete Handfläche hinstreckte.
„Huh?“ unsicher sah er sie an.
„Kaugummi.“ half der Bioorganismus ihm mit einem fordernden Blick auf die Sprünge.
Eine halbe Stunde später saßen die drei nebeneinander auf einer der Marmorstufen, zu Nortons beiden Seiten je ein Mädchen mit einem Kaugummi in deren Mund. Er hatte wieder etwas Neues gelernt. Hera lernte noch. Sie zerstörte ihre Gegner, weil sie es von irgendjemand imitiert hatte, genau so, wie sie nun Vice imitierte. Dies machte einiges klarer und erlaubte für ein besseres Verstehen des Bioorganismus-Mädchens. Er fragte sich momentan nur, ob dies so geplant gewesen war… hatte man ihm nur nichts davon gesagt, um zu verhindern, dass er Hera Dinge beibringen würde, die sie nicht wissen musste. Ah, es war kompliziert, ein Kind aufzuziehen.
„Hey…“ brach Vice dann plötzlich die bereits ewig anhaltende Stille und nahm ihren Kaugummi aus ihren Mund, um ihn dann neben ihr auf die Marmorstufe zu kleben. „Ich glaub, ich bin bereit...“ bemerkte sie mit etwas Unsicherheit in der Stimme, doch war sie entschlossen. Während Norton die Worte des Mädchens noch überdachte, hatte Hera deren Kaugummi bereits ebenfalls auf die Marmorstufe geklebt und war aufgestanden. Sie stand mit den Rücken zu den beiden anderen, als sie ihre Hände zu beiden Seiten ausstreckte.
„Zerstörung und Erschaffung sind zwei Seiten einer Medaille. Deine Entscheidung ist unwiderruflich. Wir beginnen, sobald mein System seine volle Leistung erreicht.“
Norton vernahm, wie Vice neben ihm schluckte. Väterlich legte er seinen Arm um ihren Rücken und war nur leicht erstaunt, wie sie an ihn heran rutschte und sich an ihn lehnte. Er hatte in der kurzen Zeit, in der er sie nun kannte, bereits mehrmals erkannt, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Monlis Davinc. Vice Elberoughs Alter Ego. Sie kann ihren Körper vollständig in andere Formen verwandeln, weiß jedoch nur noch davon in Hinsicht auf Haut-, Augen-, Haar- und Kleidungsfarbe. Sie kann jedes beliebige Gefühl perfekt darstellen, auch wenn es nur eine Maske ist, und ist nahezu undurchschaubar, wenn sie die Unwahrheit spricht. Zum Hauptmerk ihrer Fähigkeiten gehört das kontrollieren von Farbe, das verwandeln in Solche, herausragender artistischer Stil und ein Sinn fürs Schöne.
Sie erinnert sich nur an winzige Details ihrer Vergangenheit, die sie in keiner Hinsicht darauf zurückschließen lassen könnten, was ihr früher passiert sei, noch wer sie früher war. Die Persönlichkeit des Individuums blieb unverändert in diesem Prozess, mit der Ausnahme von Zügen, die sie an Begebenheiten erinnern würde, die sie vor dem Neustart erlebt hatte. Monlis Davinc ist die neue Originalform. Vice Elberough ist Geschichte.
… „Wie fühlst du dich, Monlis?“ fragte Norton, als er sich dem neuen Mädchen näherte welches inmitten des Raumes der Mona Lisa auf ihren Knien niedergesunken war. Langsam hob sie ihren Kopf und blickte ihm entgegen.
„Schwindelig…“ murmelte sie leise und ließ sich von ihren Knien auf ihre vier Buchstaben zurückfallen. Hera war nur einige Meter von ihr entfernt ebenfalls in die Knie gegangen, schien jedoch nur etwas außer Kraft zu sein.
„Hier. Damit fühlst du dich sicher gleich wieder besser.“ meinte Norton, als er an der Seite des Mädchens in die Hocke ging, eine frische Kaugummipackung aus seiner Hosentasche fischte und ihr einen neuen Kaugummistreifen herausziehen wollte. Das Mädchen sah die Packung kurz lächelnd an, bevor sie sie Norton aus der Hand schnappte. Norton war verwundert als Monlis sich aufrappelte und dann auf Hera zuzustolpern begann um ihr einen der Kaugummistreifen zu geben, bevor sie sich neben ihr niederließ und sich selbst auch einen davon nahm und sich in den Mund steckte. Sie grinste den Bioorganimus an, während sie zu kauen begann. Was Norton nicht erwartet hatte, war, dass auch Hera sich den Kaugummi in ihren Mund steckte und breit grinsend an diesem zu kauen begann. Nur Sekunden später konnte er mit ansehen, wie die beiden zusammen lachend auf deren Rücken fielen und Kaugummiblasen bliesen. Ein schwaches, glückliches Lächeln zog sich über seine Lippen. „Es ist schön, unter Freunden zu sein.“ sagte er zu sich selbst und trat langsam auf die beiden Mädchen zu.
To be continued!