Part IV – Chaos Scorpions
„So das ist die Stärke der TCP? Lachhaft!“
Sheas Körper wies einige Brandwunden auf, doch das Grinsen, das sein Gesicht zierte, sprach Bände. Reiko Emerld, seine Gegnerin, kniete einige Meter vor ihm auf dem Boden und hielt sich eine klaffende Wunde an ihrem rechten Arm. Ihre Pistolen lagen neben ihr auf dem Boden. Sie atmete schwer und sah voller Bitterkeit von unten zu dem Drachenjungen empor, welcher sich über sie lustig machte. Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie sah, wie dieser seine rechte Hand hob und die scharfen Klauen, mit der er ihr ihre Wunde zugefügt hatte, einzog.
„Aber ich denke, das ist genug, findest du nicht?“ bemerkte der Junge dabei und drehte der Polizistin dann seine Flanke zu. Er ließ seine Hände in seinen Hosentaschen verschwinden und schritt in die Richtung eines Ausganges des Raumes. Reiko hob bei diesem Anblick verwirrt ihren Kopf.
„W-was, du gehst? Ich dachte… wolltest du nicht etwas stehlen!? Hey, hey… verdammt!“ Sie schlug mit ihrer linken Faust auf den Boden, als ihr ehemaliger Gegner stumm durch eine Tür verschwand. Sie hätte ihren Vorgesetzten darüber Bescheid gegeben, dass ihr Gegner nur ein Ablenkungsmanöver war, doch machte das keinen Sinn… Immerhin war auch sie nur ein Ablenkungsmanöver gewesen.
„Halte deinen Gegner so lange auf, wie du kannst. Ich brauche Zeit, Reiko. Wenn du ihn hops nehmen kannst, umso besser.“ war ihr Befehl gewesen.
Als er Reiko hinter sich gelassen hatte, schlenderte Shea gemütlich durch die leeren Räume des Louvre. Was war aus ihrem Plan geworden, jetzt da die TCP sich eingemischt hatte? Wurden sie endlich bestraft für das, was sie angestellt hatten? Nein, die TCP würde sie nicht aufhalten, nicht wenn sie alle so schwach waren, wie seine Gegnerin… Nein, er belog sich selbst. Reiko war nicht schwach gewesen. Ihre Fähigkeiten hätten ihn mit einem Schlag ausknocken können, wäre sie schneller gewesen. Ihre Waffe hatte ihn mehrfach überrascht. Durch Elektrizität mehrfach beschleunigte Pistolenmunition. Der Raum, den er hinter sich gelassen hatte war völlig zerstört worden. Sie fragte ihn, ob er nicht etwas stehlen hatte wollen, doch um ehrlich zu sein war das Objekt, auf das er es abgesehen hätte, jetzt nur noch ein Häufchen Asche… … Shea blieb stehen und blickte hinter sich, den Weg entlang, den er gekommen war. Er hatte etwas realisiert. Etwas, dass ihn schockierte.
„Die war nicht da, um mich davon abzuhalten, etwas zu stehlen. Sie wollte mich…“ Genau, Reiko wollte ihn gefangen nehmen. Sie war nicht erst hierhergekommen, als ein Alarm ausgelöst wurde, sondern war bereits im Louvre gewesen. Sie hatte auf ihn gewartet! Das war schlecht, denn das bedeutete, die anderen… er musste schnell zu ihnen. Am nächsten lag…
Leblos rauchten die Körper mehrerer Isabell-Einheiten vor sich hin, während Funken aus deren Wunden sprühten. Iia stand schwer atmend zwischen diesen. Was sie zum Beginn ihres Kampfes nicht vorhergesehen hatte, war das aufgrund ihrer Fähigkeiten die Feuermelder des Louvre aktiviert wurden. Nun stand sie da, völlig durchnässt und umgeben von Dampf und heißer Luft.
„Was für ein Mist…“ seufzte sie genervt und zupfte irritiert an ihrem Top, welches an ihrem Körper klebte. Unwillig zählte sie die Isabell-Einheiten, um festzustellen, dass sie ja alle von ihnen ausgeschalten hatte und kam zu dem Entschluss, dass dies der Fall war, weshalb sie sich endlich entspannt auf den nassen Boden fallen lassen konnte.
Sie hatte keine Probleme mit Hitze, doch der Wasserdampf und die feuchte Luft machten es ihr schwer zu atmen. Sie spürte, wie ihr wirr im Kopf wurde, als sie plötzlich eine Hand an der Schulter packte. „Das ist kein guter Platz um einzuschlafen, Prinzessin.“
Verwirrt hob Iia ihren Kopf und blickte in das Gesicht einer Person. Nur verschwommen nahm sie war, mit wem sie es zu tun hatte, doch instinktiv fiel sie diesem in die Arme. Shea legte lächelnd seine Arme um das Mädchen und hob sie mit scheinbarer Leichtigkeit hoch, um sie dann aus dem unwirtlichen Raum zu tragen. Außerhalb des Raumes, wo die Luft um einiges angenehmer war, lehnte er sie dann an die nächstbeste Wand und setzte sich neben ihr nieder. Er wollte gerade seinen Mund öffnen, um mit ihr über die Situation zu reden, in der sie sich befanden, doch da landete der Kopf Iias schon schlafend auf seiner Schulter. Sie war völlig ausgepowert. Er brachte es nicht übers Herz, sie zu wecken.
Der Körper eines großen, schwarzen Gorillas sprang über Isato hinweg. Sie war unverletzt und in keinster Weise aus der Puste, während sie ihren Gegner nun schon zum fünften Mal dazu gezwungen hatte, seine Form zu ändern. Ihre dämonischen Augen, die den ganzen Raum und ihren Gegner bedeckten, ermöglichten es ihr, jede Attacke vorherzusehen und zu kontern. Es war ein unmöglich zu gewinnender Kampf für Vice, wie es schien.
Der Gorilla stieß sich von der nächstbesten Wand ab und katapultierte sich mit hoher Geschwindigkeit auf die Katzenmutantin zu, die sich in die Mitte des großen Raumes begeben hatte. Ohne irgendein Zeichen von Anstrengung duckte sie sich unter dem Angriff hindurch und packte dabei das linke Bein von Vice, um sie dann mit übernatürlicher Stärke zu Boden zu schleudern, wo sie erneut ihre Form zu verändern begann. Das Ergebnis dieser Verwandlung war der originale Körper des Mädchens, welches nahezu reglos liegen blieb, nachdem sie sich auf ihren Rücken gerollt hatte.
„Deine Verwandlungsfähigkeit heilt zwar deine Wunden bei jeder Verwandlung, doch ändert das nichts daran, dass du immer schwächer wirst. Ich denke du hast daraus gelernt, mich niemals zu unterschätzen, Elberough.“ bemerkte die Polizistin bei dem Anblick des kraftlosen Mädchens vor ihr und entkrampfte ihre Hände, welche in diesem Kampf neben ihren Augen wohl die meiste Arbeit getan hatten. Vice konnte sie nur anstarren. Sie konnte es nicht begreifen. Sie hatte es nicht ein einziges Mal geschafft, Hand an ihre Gegnerin zu legen. Jedes Mal war diese entweder ausgewichen oder hatte ihre eigene Kraft gegen sie gerichtet. Isato Lieel war ein Monster… ein Teufel in The City.
Isato wandte nun ihren Blick in die Richtung eines der Eingänge des Raumes. Vice konnte nur aus ihren Augenwinkeln verschwommen erkennen, wer dort aufgetaucht war. Sie sah langes weißes Haar an einem, von der Statur her zu schließen, männlichen Individuums.
„Gute Arbeit, werte Lieel. Wie kann ich euch bloß dafür danken?“ kam es in einer hochgestochene Stimme aus seiner Richtung. Ein leichter französischer Akzent war hinter dieser zu vernehmen…
Norton Alé. Der junge, egozentrische Besitzer des Louvre, geboren von bereits verstorbenen reichen Leuten, die ihm nie wirklich etwas bedeuteten. Er ist eine nach außen hin nicht sehr bekannte Persönlichkeit, die sich meist nicht außerhalb der Tiefen seines teuren Besitzes zeigt. Einziges oft besuchtes Ziel für das junge Genie stellt die Chefabteilung der Rahzel Corporation dar, wo er einer der wenigen eingeweihten bezüglich des Crystal-Safer-Projekts war. Nicht nur ist er jedoch eingeweiht und war mitunter hilfreich in der Erfindung Heras gewesen, doch ist er auch eingebunden in die finale Phase des Projektes, sollte diese irgendwann in Kraft treten. Er war geehrt von dieser ach so großzügigen Möglichkeit, etwas berühmter zu werden, doch hofft er insgeheim, dass es niemals so weit kommen würde. Nichts desto trotz ahnt er, dass der Frieden nicht ewig währen kann, weshalb er als einziger bereits „aktiver“ Crystal-Safer alles daran tut, Vorbereitungen für den Ernstfall zu treffen.
… „Nichts zu danken. Ich würde sie zwar gerne gefangen nehmen, aber das wiederspricht den Abmachungen.“ erwiderte Isato dem Lob des Museumsbesitzers und musterte aus ihren Augenwinkeln Vice Körper, deren Augen angestrengt versuchten, ein gutes Bild Nortons zu fassen.
„Sehr richtig. Dieses Mädchen hier ist mir sehr wichtig. Ich kenne ihre Vergangenheit und weiß ihr zu helfen, um auf einen besseren Pfad zu wechseln.“ erklärte der junge Mann mit ausschweifenden Handbewegungen und näherte sich dem Duo, während die Polizistin ein schwaches Lächeln aufsetzte.
„Dann werde ich hier nicht mehr gebraucht, nehme ich an? Es wartet noch ein großer silberner Fisch darauf, von mir gefangen zu werden.“ gab sie leicht gelangweilt zu wissen, während ihre Aufmerksamkeit und die des Museumsbesitzers plötzlich auf einen weiteren Eingang in den Raum der Mona Lisa gezogen wurden.
„Ah, Hera.“ bemerkte Norton mit einem Lächeln im Anblick des blonden Mädchens, bei dessen Erschaffung er mitgewirkt hatte. Diese ignorierte ihn jedoch völlig und wandte sich anstelle Isato zu.
„Zielobjekt: “Rothen“. Das Objekt hat sich der Gefangenahme wiedersetzt und wurde in dem Prozess bedauerlicherweise zerstört.“ berichtete sie, fern von jeder Gefühlsregung. Isato nahm diese Nachricht mit einem Seufzen und einem genervten Seitenblick zu Norton auf.
„Das ist schon das dritte Mal, dass sie jemanden ‚zerstört‘, den sie gefangen nehmen sollte.“ flüsterte sie ihm zu, woraufhin dieser leicht irritiert in Heras Richtung blickte. Sie war wohl zu stark, war, was er sich dachte, doch auch normale Polizei-Cyborgs machten ähnliche Fehler, so war es noch kein Grund, die Testphase zu unterbrechen. Seine Überlegungen wurden durch ein weiteres seufzen Isatos unterbrochen. Er spürte ihre Langeweile nahezu.
„Ah, ja, Isato, du kannst uns alleine lassen. Deine Arbeit hier ist getan.“ beantwortete er nun ihre vorherige Frage und beobachtete wie sie erleichtert zu Hera ging, welcher sie ihre Hand auf die Schulter legte.
„Gute Arbeit, Partner.“ lobte sie diese, bevor sie über ihre Schulter erneut zu dem Besitzer des Louvre blickte. „Du sagtest, du brauchst Hera hier noch, wenn ich mich recht an unsere Abmachung erinnere, richtig? Dann werde ich euch drei jetzt alleine lassen.“ gab sie ihm zu wissen, bevor sie sich an Hera wandte. „Wenn du hier fertig bist, begib dich ohne Umwege zum Hauptquartier und warte dort auf mich.“ Der Bioorganismus nickte ohne eine Regung ihrer Gesichtsmuskeln.
„Neue Zielvorgabe verstanden.“ gab sie von sich während Isato unauffällig den Raum verließ.
Auf ihrem Weg zum Ausgang des Louvre machte die katzenähnliche Mutantin einen kurzen Abstecher zu dem Raum, in dem Hera gegen Una gekämpft hatte. Dort stieß auch die angeschlagene Reiko zu ihr.
„Wie ist es dir ergangen?“ fragte Isato ihre Partnerin knapp, woraufhin diese leicht beschämt ihren Blick abwandte und sich am Kopf kratze. „Ich sehe…“ bemerkte Isato dann schwach lächelnd und wandte ihren Blick dem Raum zu. Dieser war völlig unbeschädigt.
„Was hältst du hiervon, Reiko? Hera hat saubere Arbeit geleistet, findest du nicht?“
Reiko sah sich um. Man erkannte nicht, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte. „Hera… hat hier gekämpft? Es sieht aus, als wäre hier nichts passiert?“
„Ja, nicht? Die Fähigkeit, zu Erschaffen und Neu zu Erschaffen. Unheimlich, denkst du nicht?“
„…Ah, ja, also hat sie Rothen gefangen nehmen können?“
„Sie hat es bedauerlicherweise zerstört, da es sich gewehrt hat. Wie du siehst, hat sie Rothens Existenz bedauerlicherweise völlig ausgelöscht. Wir finden hier sicherlich nicht auch nur eine Spur ihrer DNA wieder.“ erklärte Isato und ballte ihre rechte Faust. Auch wenn ihre Stimme ruhig war, zeigte sich in ihren Betonungen und ihrer Körpersprache ein klares Zeichen von Wut. Es war so klar, dass Reiko einen Schritt von ihr weg trat.
„…Ah, das wird diesen Typen nicht gefallen…“ murmelte sie, woraufhin Isato ihre Hand wieder lockerte und seufzte.
„Diese Typen sind mir egal. Sie wollten sowieso nur sehen, welche Änderungen an Rother vorgenommen wurden und es dann verschrotten lassen. Der Fakt, das Hera völlig eigensinnig handelt und so tut, als hätte sie es aus Versehen gemacht ist, was mich stört… aber lassen wir das. Sei so lieb und stell einen Schadensreport zusammen und leg ihn mir bei nächster Gelegenheit auf den Schreibtisch. Ich hab noch etwas zu tun.“
Reiko salutierte und machte sich wieder auf den Rückweg zu dem Raum, in dem sie gegen Shea gekämpft hatte. Isato verließ den Raum in Richtung Ausgang.
„Von der Seite hast du das noch gar nicht betrachtet, hm?“
Erneut war Isato zum Stehen gekommen, als sie mitten im Gang zwei an der Wand lehnende, schlafende Jugendliche erkannte. Shea und Iia boten ein wahrhaft herzerwärmendes Bild.
„Ihr beiden habt euch die Freiheit redlich verdient. Ohne Silvers Einfluss werdet ihr sicherlich keinen Unfug mehr anstellen. Das sagt mir mein Instinkt.“ murmelte sie zu sich selbst und wandte sich endgültig dem Ausgang zu. „Ich muss ihn mir nur noch schnappen, dann kann ich diesen Fall endlich ad Acta legen.“
To be continued!