Und da war ich. Ein kleines, gemütliches Appartement in einem belebten Stadtteil The Citys. Mein Name war Shiki Rakhna und ich war ein Shaman. Im Moment saß ich auf einem weichen Sofa und sah fern, das orangene Licht der Abendsonne strahlte durch die Fenster des Wohnraumes, in dem ich mich befand. Ich hatte noch nicht zu Abend gegessen, doch stand ein Fertiggericht für zwei bereits in der Mikrowelle, nur darauf wartend eingeschalten zu werden.
Ja, ich lebte nicht alleine. Meine Mitbewohnerin arbeitete oft bis spät in die Nacht oder kam überhaupt nicht zurück, doch heute hatte sie angerufen, sie käme um 06:00 Uhr. Es war nun 07:00, aber wen störte das schon. Sich um sie Sorgen zu machen, wäre das letzte, dass mir einfallen könnte. Nein, wenn irgendjemand versuchen würde, ihr etwas anzutun, würde ich mir Sorgen um denjenigen machen, der so ein großer Dummkopf war. Als ich bei diesem Gedanken war, hörte ich wie sich ein Schlüssel in der Wohnungstür drehte. Mit einem Klick wusste ich, dass sie endlich da war, also stand ich auf.
„Shiki, Essen.“
Klang unfreundlich, schlechter Arbeitstag, ich hatte verstanden. Ich begab mich in die Küche, setzte die Mikrowelle in Gang und wartete, bis man mir Gesellschaft leistete. Sie war wie üblich in ihr Zimmer gegangen, um ihre Uniform auszuziehen, doch einige Minuten, kurz nachdem die Mikrowelle fertig war, stand sie in der Tür.
Ein Mädchen in meinem Alter, 15. Aufgrund ihres persönlichen Talents arbeitete sie schon mit diesem Alter bei der Polizei. Ihr Name war Isato Lieel.
„Setz dich, es gibt Nudeln.“ wies ich sie an und sie nahm wortlos Platz am Tisch.
Ich platzierte einen Teller vor ihr und setzte mich ihr gegenüber. Sie begann zu essen, bis sie bemerkte, dass ich sie anstarrte.
„Habe ich etwas im Gesicht?“ fragte sie mich, leicht mit ihren Katzenohren zuckend. Ich schüttelte meinen Kopf.
„Nein, aber du scheinst nicht gut drauf zu sein.“ erklärte ich ihr, woraufhin sie einen Bissen zu sich nahm.
„Nein, alles in Ordnung. War nur ein etwas anstrengender Tag.“ bemerkte sie. „Ich habe die Augen zu sehr benutzt.“ fügte sie dann leise hinzu, wissend, dass ich es nicht gerne hörte.
„Ich habe dir gesagt, du sollst dich zurückhalten, sie so großflächig einzusetzen.“ bemerkte ich, für Isato überraschend, ruhig. Sie schloss daraufhin ihre Augen.
„Ja, ich weiß… aber dieses Geistermädchen im Gefängnis bereitet mir Unruhe. Wenn ich sie nicht ständig beobachte, mache ich mir Sorgen.“ gab sie unruhig zu. Ich seufzte daraufhin.
„Dann mach, was ich dir gesagt habe. Exorzier sie, damit sie endlich ins Nachleben überwechseln kann.“
Nun hatte ich etwas ausgesprochen, das Isato nicht hören wollte. Stumm aß sie weiter, meine Worte ignorierend. Ich seufzte erneut und aß auch, bevor meine Nudeln kalt werden würden.
Nach dem Essen hatte ich mich wieder zum Fernseher begeben und meine Mitbewohnerin nahm ein Bad. Ich hätte ihr zwar vorgeschlagen, sie zu begleiten, doch sie war aus irgendeinem unergründlichen Grund nicht sehr erfreut darüber. Warum brannte meine Wange nur so? Die Ohrfeige war doch nicht so fest gewesen…
Ja, ich hatte sie tatsächlich gefragt, wohl wissen, dass sie nicht zusagen würde. Ich wollte sie mit einem Scherz aufmuntern und wer weiß ob es funktioniert hatte? Aggressionen an mir abzulassen ist schon mal ein guter Anfang.
Ah, ihr fragt euch sicher, wieso sie und ich überhaupt zusammen leben. Das ist ganz einfach. Wir können beide Geister sehen, ich kann Geister aus weiter Entfernung spüren und sie kann Geister exorzieren. Zusammen sind wir ein tolles Duo von Geisterjägern - sollte sie Zeit dafür haben, mit mir auf die Jagt zu gehen - außerdem exorziert sie Geister nur sehr ungern.
Momentan verfolgte sie die Spuren eines toten Mädchens in dem Gefängnis, in dem sie arbeitet. Ein schwarzgeflügeltes Individuum, das sich in der Zelle aufhält, in der sie vor knapp 50 Jahren gestorben war. Isato hatte mir berichtet, der Geist übe die normalen Tätigkeiten der anderen Gefangen aus, als wäre sie immer noch lebendig. Tatsächlich vermutet meine Mitbewohnerin, der Geist wüsste womöglich gar nicht, dass er bereits tot sei! Ihre Vermutung ist nicht zu weit hergeholt, denn ich hatte solche Fälle schon mehrmals erlebt. In diesem einen Fall verstand ich Isatos Zurückhaltung, den Geist auszutreiben auch einigermaßen, denn ein Geist, der noch an die Welt gebunden war und nicht an den Tod glaubt, war schwer zu exorzieren und würde sich womöglich wehren.
„Ach Isato, warum musstest du über so einen schweren Fall stolpern…“ murmelte ich zu mir selbst, nicht bemerkt habend, dass meine Freundin gerade den Raum betrat und mich gehört hatte.
„Entschuldigung Herr Rakhna, ich werde versuchen, aufzupassen, welche Geister ich demnächst finde.“ bemerkte sie wütend klingend und ließ sich neben mir auf dem Sofa nieder.
Ich wusste, dass sie nicht wirklich wütend war, so ging ich auch nicht weiter darauf ein. Mit nur wenig Smalltalk sahen wir dann bis spät in die Nacht zusammen fern, bis Isato neben mir einschlief und ich sie in ihr Zimmer trug, nur um danach auch selbst zu Bett zu gehen.
Als ich erwachte, saß Isato auf meiner Bettkante und starrte an die Wand.
„Morgen…“ bemerkte ich verschlafen, nichts Ungewöhnliches an der Situation erahnend.
Als sie bemerkte, dass ich wach war, wandte sie ihren Blick zu mir und lächelte mich an - dass sah ich persönlich selten.
„…Warte, musst du nicht zur Arbeit, Isato?“ fragte ich dann, und setzte mich auf. Sie sah kurz an die Decke, dann wieder in mein Gesicht.
„Hast du mir gestern Nacht eigentlich noch zugehört? Ich habe gesagt, ich habe mir die restliche Woche frei genommen.“ sagte sie und ich erinnerte mich. Sie hatte es mir beim Fernsehen erzählt, eher nebensächlich und ich hatte es vergessen. Ich erinnerte mich nun auch an den Rest der Dinge, die sie gesagt hatte. Sie hatte sich frei genommen, um wieder zu Kräften zu kommen. Gutes Mädchen, Isato, überanstrengt dich nicht.
„Wir gehen heute auf ein Date.“ sagte sie dann und lächelte mich an. Ich nickte leicht und gähnte.
„…Klar, auf ein Da- WASHASTDUGESAGT!?“
Sie kicherte und sprang auf, mir mit ihrem Katzenschweif vor dem Gesicht herum wackelnd.
„Na los, aufstehen und anziehen. Ich warte in der Küche. Frühstück ist schon fertig.“
Mit diesen Worten strich mir Schweif über die Nase, während sie schnellen Schrittes durch meine Zimmertür verschwand. Ich blickte ihr verwirrt hinterher.
„… soll ich mich freuen… oder Angst haben…?“ murmelte ich zu mir selbst. Ich seufzte laut.
„Na und wennschon.“
Ich hatte mich angezogen und war dem Mädchen gefolgt. Was mich erwartete war ein vorbereitetes Frühstück im besten Sinne. Ich war durchaus überrascht, dass Isato mich nicht nur aufgezogen hatte, als Rache für was auch immer.
Sie saß dort am Tisch und lächelte mir freudig entgegen. Stumm näherte ich mich und nahm ihr gegenüber, wie üblich, Platz. Ich begann zu essen, doch ihre dunkelblauen Augen hatten sich auf mich fixiert. Déjà-vu?
„Stimmt etwas nicht?“ fragte ich sie, einen Bissen Brot schluckend.
Sie schüttelte sofort ihren Kopf und lächelte nur noch breiter.
„Nein, du bist nur so süß, dass ich meine Augen nicht von dir lassen kann.“
Ahaha… was? Nein nein nein, ich musste noch träumen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas stimme hier ganz und gar nicht.
„Wer bist du?“ fragte ich lächelnd, Isato verzog jedoch keine Mine. Sie lächelte weiter und antwortete freudig.
„Was auch immer du willst, dass ich bin~“ sagte sie und stand auf. Ich beobachtete, wie sie um den Tisch herum zu mir herüber schlenderte und ihre rechte Hand langsam über meine Wange strich.
Es war offensichtlich genug, dass dieses Mädchen nicht Isato war, doch in meinem Kopf zwang ich mich dagegen, nicht einfach mitzuspielen… Nein, das hier war falsch. Ihr Gesicht näherte sich langsam dem meinen. Ich wusste genau was gleich kommen würde. in letzter Sekunde stieß ich sie von mir und sprang von meinem Stuhl auf.
Sie stolperte und landete auf dem Boden, ich blickte zu ihr hinab.
„Ich bin dir ausgeliefert, mach mit mir was du willst…“ sagte sie leise, mit abgewandtem Blick und ließ ihre Ohren hängen.
„ES REEEEEIIICHT!!!“
Licht strahlte von meinem Körper aus und erhellte den Raum, dann fokussierte sich dieses auf meine rechte Hand, wo es einen Dreizack bildete. Ein roter Stab mit einer goldenen dreizackigen Gabelung an der Spitze. Ich richtete die Spitze des Dreizacks auf das Mädchen vor mir und blickte sie mit einem eiskalten Blick an.
„Hör auf! Zeig deine wahre Form!“ befahl ich ihr, woraufhin sie stark zittern ihre Form zu ändern begann.
Sie verwandelte sich in ein Mädchen mit langem orangenem Haar, welches eine rosarote Bluse und eine weiße Jeans trug. Oh, und das Mädchen war halb durchsichtig. Sie kniete vor mir, mein Dreizack war auf sie gerichtet und ich wiederholte meine Frage von zuvor.
„Wer bist du?“
„Sunny...“ antworte sie zögerlich. „Sunny Trilex.“
„Sunny Trilex, was wird hier gespielt? Wo ist die echte Isato?“ ich sprach nun ruhig mit ihr, um das Geistermädchen zu beruhigen.
„Sie ist zur Arbeit gegangen… Ich bin hier um dich zu töten.“
Sie sagte dies, als wäre es völlig nebensächlich. Sie war gefährlich, dass erkannte ich. Zumindest war sie es gewesen. Wer weiß, was passiert wäre, hätte sie mich geküsst? Warte… Isato war in der Arbeit? Wie sollte ich mich alleine um einen Geist kümmern?
Ich entschied mich nach einiger Überlegung, sie einfach mit einem Amulett zu versiegeln, bis Isato am Abend zurück kam. Die Idee war nicht gerade grandios, insbesondere, da ich nicht wusste, ob das Siegel dem Geistermädchen solange standhalten würde, doch war es das Beste, das mir zu dem Zeitpunkt einfiel.
Glücklicherweise ohne weitere Zwischenfälle verging der Tag bis zum Abend. Dann kam unerwarteter Besuch. Im orangeroten Licht der untergehenden Sonne war ein halb durchsichtiger Junge durch meine Fensterscheibe gekracht - es war zu beachten, wir befanden uns im 27. Stock und er hatte keine Flügel. Anstelle derer war er kleidet wie ein Ninja und hatte ein Schwert auf seinem Rücken, welches er sofort zog und nach mir schwang. Ich wich aus und erreichte damit genau, was der Junge von mir wollte. Er hatte freien Bahn zu Sunny, zerschnitt das Amulett, das sie versiegelte, entzwei und befreite sie somit.
„Dusk!“ schrie sie erfreut auf, sofort, als sie wieder zu sich kam, definitiv auf ihren geisterhaften Retter bezogen. Dieser wandte seinen Blick sofort zu mir, dann griff er mich erneut an. Er sollte mich nie erreichen, denn nicht nur Sunny hatte Verstärkung bekommen. Ein einfach wirkendes Messer blockte den Schwerthieb. Geführt wurde es von niemandem anderen wie Isato.
„Du bist spät.“ bemerkte ich lächelnd.
„W-was ist hier los ist!“
Sie sagte das, doch machte es wenig Sinn… es war recht offensichtlich, was hier passierte, doch erklärte ich trotzdem.
„Geister - wollen mich töten - keinen Schimmer warum.“
„Dich töten?!“ entkam es Isato dann und sie drückte den Ninja mit einem Ruck von sich.
Unsicher sahen die beiden Geister sich kurz an, dann griffen sie erneut an, dieses Mal beide gleichzeitig. In Sunnys Händen bildeten sich hellgelbe Lichtkugeln, der Junge attackierte erneut mit seinem Schwert. Ich hatte genug Zeit gehabt meinen Dreizack zu beschwören und Isato war sofort in den Angriff gestürzt. Wir übermannten sie nahezu problemlos…
Nachdenklich standen wir vor den beiden versiegelten Geistern. Unter keinen Umständen wollten sie Preis geben, warum sie mich töten wollten. Der Hass zu mir band diese beiden an diese Welt… sie zu exorzieren würde nicht leicht sein. Ebenso, würde es nicht leicht sein, Isato zu überreden, die beiden zu exorzieren.
„Was machen wir?“ fragte ich sie, woraufhin sie mir einen scheinbar kühlen Blick zu warf.
„Nein nein, ich frage nur, ich schlage nichts vor.“ korrigierte ich mich sofort, woraufhin das Mädchen neben mir seufzte.
„Shiki, mach einen Spaziergang…oder so… ich kümmere mich um die beiden.“
Sie hatte ihre Augen geschlossen und ihre Hände zitterten etwas. Sie schickte mich fort, also wollte sie etwas tun, das ich nicht sehe. Ich drehte den Geistern den Rücken zu legte meine Hand auf Isatos Schulter.
„Tu, was du für das Beste hältst.“ sagte ich ihr ruhig, dann ließ ich von ihr ab und verließ das Appartement. Ich hätte es getan…
„Shiki…“
Isatos zitternde Stimme brachte mich dazu, noch einmal meinen Blick zu ihr zurück zu werfen.
„Ja?“ fragte ich sie.
„…Danke.“
Ich wusste nicht so Recht, wofür sie sich bedankte, doch lächelte ich darauf.
„Kein Problem.“ bemerkte ich freudig, und verließ nun wirklich das Appartement.
Ich spazierte durch die von Abendrot durchfluteten Straßen, als ich an einem Schaufenster eine Person erkannte, die mir bekannt vorkam. Es war das Schaufenster einer Bäckerei. Ich erinnerte mich, an meinen Geburtstag in einer guten Woche, dann realisierte ich, wie dumm ich war.
„Isato!“ rief ich und das Mädchen schrak auf. Sie sah mich erst verwundert an, dann beruhigte sie sich und lief auf mich zu.
„Was machst du hier draußen, um diese Zei-“ begann sie wütend klingend, doch packte ich sie an ihrer rechten Hand und zog sie hinter mir her.
„Du bist die echte Isato. Weder unglaublich in mich verliebt, noch ängstlich und zittrig!“
Ungläubig sah das Mädchen mich an.
„Was willst du damit sagen?“ fragte sie genervt.
„Wir haben Geister zu Hause, die sich in dich verwandeln und mich töten wollen… glaub ich.“
„Tust du das, ja?“ wiederholte sie und gab ihrerseits auch Tempo, so dass ich ihre Hand loslassen konnte und wir miteinander nach Hause liefen.
Dort angekommen erwartete uns etwas Unerwartetes. Sunny und Dusk waren verschwunden, die falsche Isato war ersetzt worden.
„Mein Name ist Luna Trilex.“ erklärte das jung wirkende Mädchen, dass in meinem Wohnzimmer stand. Sie hatte dunkelblaues Haar, trug einen roten Pullover und hatte… seltsamerweise ein paar grauer Flügel an ihrem Rücken, wie einen Heiligenschein über ihrem Kopf. Trotz diesen Eigenschafften erschien sie mir nicht als wäre sie ein Geist.
„Trilex…? Dann waren die beiden anderen...“
„Sunny und Dusk Trilex. Meine Schwester und mein Bruder… Es tut mir Leid, dass ihre Seelen dir Probleme bereitet haben. Du hast eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem… Mörder.“ gab Luna zu und wandte ihren Blick langsam von mir zu Isato.
„Du hast einen wirklich netten Freund. Behandle ihn gut und hör auf seinen Rat.“
Mit diesen Worten, begann sich das Mädchen aufzulösen und entfloh schließlich als ein Schwarm von Lichtpartikeln durch das zerbrochene Fenster…
Isato und ich waren noch einige Minuten ruhig und wie festgefroren stehen geblieben, dann packte sie meine Hand mit der ihren. Sie zitterte, so schloss ich meine Hand um ihre und hielt sie fest.
„Sie hat die beiden exorziert. Ich spüre Energie durch das gesamte Gebäude fließen. Ihre, und die ihrer Geschwister. Du hattest Recht Shiki. Ich sollte den Engel des Gefängnisses auf seine Reise schicken. Es ist besser für sie und jeden anderen in ihrer Nähe.“
Sie sah zu mir und ich zu ihr, dann realisierte sie, wie wir hier standen… und gab mir eine wiederhallende Ohrfeige.
Zwei Tage später sagte sie mir, sie habe den schwarzen Engel im Gefängnis exorziert. Eine Woche danach, einen Tag, nachdem sie mir den schönsten Geburtstag meines Lebens geschenkt hatte, verließ sie mich, sagend, sie wolle ihre Fähigkeiten besser kennen lernen. Ich war dumm gewesen. Hätte ich versucht, sie aufzuhalten, wäre sie geblieben, für eine schöne Zukunft, doch sie hatte Recht. Wir gingen unsere eigenen Wege, wir waren dafür geschaffen, getrennte Wege zu gehen.
Ich würde ein besserer Shaman werden und irgendwann würden wir uns schon wieder über den Weg laufen, auf der Jagd nach einem Geist.