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Kurze Gruselgeschichte "Im Tode vereint" - Druckversion

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Kurze Gruselgeschichte "Im Tode vereint" - Vorador - 23.10.2009

Eine kurze Gruselgeschichte die durch Konsum von H.P.Lovecraft-Stories entstanden ist^^
Am besten im dunkeln und alleine lesenWink


Ich schloss die Augen und rief mir das Bild meiner Frau ins Gedächtnis, um den stechenden Schmerz in meiner Seite und das Brennen in den Beinen zu ignorieren.
Sofort fing das Bild an sich zu bewegen und schon war ich wieder dort an der Steilküste unseres Dorfes.
Sie stand am Rand und machte mich wahnsinnig indem sie dort herumtanzte und sprang.
Schließlich fing ich sie ein und zog sie von dort weg, unter die Bäume wo wir unser Picknick begonnen hatten. „Du fällst irgendwann runter, wenn du so weitermachst!“, warnte ich sie und strich ihr das Har aus dem Gesicht.
Sie lachte, packte mich an den Ohren und zog mich zu sich hinunter.

Ich hörte wie hinter mir etwas wütend aufheulte, riss die Augen auf und lief weiter.
Doch in meinem Geiste durchlebte ich den ganzen Albtraum erneut.

Nachts erwachte ich in unserem Haus, doch der Platz neben mir war leer. Zunächst dachte ich mir nichts dabei, doch als ich die Haustür aufgehen hörte, stand ich besorgt auf und sah in den Flur.
Ich erhaschte gerade noch einen Blick auf das wehende Nachthemd meiner Frau, das gerade durch die Tür verschwand.
Alarmiert lief ich die Treppe runter und aus der Tür raus. Meine Frau war schon ein ganzes Stück weiter und beschleunigte noch immer. Mit ausdauernden Schritten lief ich ihr nach, doch schien sie wie besessen, denn egal was ich rief, sie lief stur weiter.
Mit wachsender Panik merkte ich wo sie hinlief:
An den Ort, wo wir nur einige Stunden zuvor an der Klippe gepicknickt hatten.
Ich fing an ihren Namen zu brüllen, doch sie reagierte nicht im Geringsten darauf. Dafür riss ich das halbe Dorf aus dem Schlaf.
Die wütenden Rufe ignorierend folgte ich meiner Frau durch den Wald an der Klippe.
Als ich durch das Unterholz brach und endlich den Rand der Klippe erreichte, blieb ich wie vom Donner gerührt stehen.
Meine Frau stand dort am Rand, mir den Rücken zugewandt und schien auf Meer hinauszustarren.
Vorsichtig ging ich auf sie zu und rief sie noch einmal bei ihrem Namen und bat sie vom Rand wegzugehen. Offenbar hatte ich ihre Aufmerksamkeit erregt, denn sie zuckte kurz zusammen und wandte sich zu mir um.
Überglücklich, dass es ihr gut ging, machte ich einen Schritt auf sie zu, doch in diesem Moment breitete sie die Arme aus und lies sich rückwärts die Klippe hinabfallen.
Mit einem lautem: „Nein!“ auf den Lippen stürzte ich zum Rand und sah nach unten.
Der Vollmond beleuchtete die unheimliche Szene die sich mir bot.
Meine Frau stürzte kopfüber und mit ausdruckslosem Gesicht dem Wasser unten entgegen. Zwar war gerade Flut, aber ich wusste, dass das Wasser zu flach war als, dass sie diesen Sturz würde überleben.
Selbst von dort oben hörte ich wie ihre Knochen brachen, als sie aufschlug und einen knappen Meter unter der Oberfläche auf die harten Felsen prallte.
Wir bargen ihren Körper, kaum dass die Sonne aufgegangen war. Ein Arzt untersuchte ihren Leichnam und teilte mir mit, dass sie ihr Genick gebrochen hatte, als sie auf die Wasseroberfläche geprallt war.
Ich lies sie vorübergehend einfrieren, während ich ihre letzte Ruhestätte vorbereiten lies. Meine Familie hatte schon seit Generationen in unserem Dorf gelebt und sich eine besondere Familiengruft angelegt.
Sie war in eine alte, vom Wasser ausgespülte Höhle an der Steilküste gebaut worden. Von unserem Mausoleum auf dem Friedhof führte eine lange Treppe hinab zur Gruft. Zum Meer hin war die Höhle geöffnet und man hatte einen künstlichen Kanal angelegt, sodass der Boden ein U mit der Öffnung zum Meer hin bildete. Links und rechts waren in Nischen die Gräber meiner Vorfahren so angeordnet, dass sie alle mit dem Kopfende zum Kanal standen.
Vom Kanal aus führte eine Treppe ins Meer, denn bevor man den Treppengang gebaut hatte, war die Höhle nur mit dem Boot zu erreichen gewesen.
Es war schon fast 50 Jahre her, seit zum letzten Mal jemand dort bestattet worden war. Meine Eltern waren aus dem Dorf gezogen und hatten sich nicht um die Gruft gekümmert. Sie waren lieber zu dem leeren Grab auf dem Friedhof in der Stadt gegangen, wo meine Großeltern symbolisch begraben waren.
Nun lies ich die Höhle wieder instand setzten und ausbessern. Meine Frau hatte das Meer geliebt und war in ihm gestorben. Nun sollte sie auch im Tode in seiner Nähe sein.
Ich blieb jeden Abend an ihrem Grab sitzen, bis die Sonne unterging um anschließend daheim ins Bett zu fallen.
Ich ging nicht zur Arbeit, sondern versuchte von Zuhause aus den Papierkram zu erledigen den ein Bekannter vorbeibrachte. Schlafen konnte, oder wollte ich zu dieser Zeit nicht.
Denn kaum, dass sich meine Augen geschlossen hatten, stand ich wieder an der Klippe und sah wie meine Frau in den Tod stürzte.
Doch in dieser Nacht kam ein anderer Traum zu mir.
Ich stand nicht wie sonst auch an der Klippe, sondern in meiner Familiengruft. Die Sonne ging gerade unter und tauchte das Wasser in ein blutiges Rot.
Plötzlich teilte sich das Wasser an der Treppe und ein menschlicher Kopf erhob sich aus den Fluten.
Es war meine Frau, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie kam aus dem Wasser, wie eine wunderschöne Nixe und kam zielstrebig auf mich zu. Sie trug das Kleid das ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte und war wie durch ein Wunder knochentrocken obwohl sie gerade aus dem Wasser gekommen war.
Ein Stück vor mir blieb sie stehen und streckte die Arme aus, einen sehnsüchtigen Ausdruck auf dem Gesicht. Und dann hörte ich ihre Stimme. Sie sprach zu mir ohne ihren Mund zu bewegen und doch war es die Stimme die ich so schmerzlich vermisste.
Komm! Komm zu mir, mein Geliebter! Ich vermisse dich! Ich will dich in meiner Nähe wissen!
Mit Tränen in den Augen erwachte ich, die flehende Stimme meiner Frau noch in den Ohren.
Entschlossen meinem schmerzenden Herzen Linderung zu verschaffen, zog ich mich an, verließ das Haus und ging zum Eingang der Familiengruft.
Selbst zu dieser Nachtszeit waren links und rechts vom Eingang Fackeln befestigt. Sie waren weit heruntergebrannt, doch ich hatte mir selbst eine mitgebracht und entzündete sie bevor ich mich an den Abstieg machte.
In der Gruft angekommen entzündete ich die Fackeln die sich an den Wänden befanden und tauchte die Höhle in bewegtes Licht.
Der Sarg meiner Frau stand an der gleichen Stelle wie sonst auch und nichts hatte sich verändert. Liebevoll strich ich über den Namen der in den Deckel graviert worden war.
Ein leises Plätschern lies mich zusammenzucken und herumfahren, doch offenbar hatte sich ein Fisch einen Spaß erlaubt, den ich konnte nur sich ausdehnende Kreise im Wasser erkennen.
Nebel wehte vom Meer und durch die Öffnung herein. Irgendwie hatte ich den Eindruck der Nebel würde über den Boden und die Särge tasten, als wäre er auf der Suche nach etwas, doch das war nur Einbildung, hervorgerufen durch das sich bewegende Licht der Fackeln.
Ich wollte gerade wieder die Gruft verlassen, als ich mich, aus unerfindlichen Gründen, noch einmal zur Höhlenöffnung wandte und auf Meer, beziehungsweise in den Nebel blickte.
Verwundert blieb ich stehen und sah noch einmal genauer hin.
Weit entfernt im Nebel konnte ich ein Licht erkennen. Noch während ich rätselte, was es sein konnte, näherte es sich und schließlich konnte ich das leise Plätschern von Rudern hören.
Doch in dem Moment, als das Ruderboot in den Lichtschein vor der Höhle hätte kommen müssen, verstummte das Plätschern und das Licht verschwand.
Meine Nackenhaare stellten sich auf während ich vorsichtig einen Schritt auf die Treppen zu machte.
Doch statt eines Bootes sah ich wie sich etwas unter Wasser auf die Stufen zu bewegte.
Mein Herz schlug panisch, während alle Sinne mir sagten ich solle diesen Ort verlassen und doch blieb ich wie festgefroren dort stehen.
Und wie in meinem Traum teilte sich das Wasser und eine Person trat heraus.
Als ich das Gesicht erkannte setzte mein Herz mehrere Sekunden lang aus und mein Verstand weigerte sich zu akzeptieren was geschah.
Meine Frau, meine verstorbene Frau stand vor mir, im gleichen Kleid in dem sie begraben wurde. In ihrem Haar klebten einige Algenfetzen und ihr Kleid war vom Wasser verfärbt und hing unvorteilhaft an ihr herab. Und dennoch, sie war es.
Sie breitete die Arme aus und lächelte mich an.
Geliebter, du bist zu mir gekommen! Wir werden nie wieder getrennt sein, das verspreche ich dir! Doch muss ich dich um etwas bitten, bevor wir vereint sein können!
Wieder sprach sie nicht mit ihrem Mund und diesmal stellte ich fest, dass ihre Stimme nicht von vorne wo sie stand, sondern von wo anders zu kommen schien.
Doch mir war es egal. Wir konnten wieder vereint sein!
„Alles! Ich würde Alles für dich tun, solange wir wieder vereint sein können!“
Ich muss dich darum bitte dir dein Leben zu nehmen!
„Wie bitte?“
Ist es dir noch nicht aufgefallen? Seid Generationen wurden deine Vorfahren immer paarweise bestattet, nie wurde einer alleine zur letzten Ruhe gebettet. Doch mich hast du hier alleine bestattet und nun muss ich für deine Torheit bezahlen! Solange du noch lebst, wird der Fährmann nicht hier anlegen! Du hast es selbst gesehen!
Fährmann? Meinte sie das seltsame Licht und das Geplätscher, welches vor der Höhle verschwand?
Deine Vorfahren haben vor langer Zeit einen Pakt geschlossen, der ihnen ewiges Leben garantiert, doch nur wenn sie und alle ihre Nachfahren ihre Seelen dem Fährmann anvertrauen. Doch der Fährmann transportiert nur Paare. Und solange du noch lebst muss ich hier verfaulen, bis du stirbst! Deshalb bitte ich dich: Beende dein Leben und wir werden bis in alle Ewigkeit zusammensein!
Träumte ich wieder? War ich an ihrem Grab eingeschlafen und durchlebte nun diese Schuldzuweisung meiner Seele?
Ich sehe du zögerst. Dann muss ich dich zu deinem Glück zwingen!
Sie verschwand als würde sie sich im Nebel auflösen. Perplex rieb ich mir die Augen und zwickte mich mehrmals.
Ein Kratzen lies mich aufschrecken und zum Grab meiner Frau herumfahren.
Der Deckel schob sich zu Seite und krachte auf den Boden.
Vertrocknete Hände krochen über den Rand und suchten nach Halt. Als sich schließlich das…Ding aus dem Sarg zog stieß ich einen spitzen Schrei aus der von den Wänden widerhallte.
Ja, sieh mich an. Solange du lebst bin ich an diesen verwesenden Körper gebunden. Jetzt komm her! Ein kurzer Schmerz und alles ist vorbei! Wir werden wieder zusammensein!
Jetzt war mir auch klar von wo die Stimme gekommen war. Aus ihrem Grab!
Von Grauen getrieben drehte ich mich um und lief davon, die Treppe hinauf, aus dem Mausoleum heraus und in die Nacht hinein.

Hier war ich nun.
Zweige peitschten mir ins Gesicht, während ich hinter mir die Verwünschungen der Kreatur hörte die ich einst geliebt hatte.
Tränen der nackten Angst liefen aus meinen Augen während mein Herz schmerzhaft in meiner Brust tobte.
Auf einmal verschwand der Boden unter meinen Füßen und ich stürzte einige Meter tief eine Böschung hinab. Es knackte in meinem linken Knöchel als ich aufkam und ein brennender Schmerz schoss mein Bein hinauf. Trotz der Schmerzen rappelte ich mich auf und lief ich weiter, knickte aber immer wieder unter starken Schmerzen um.
Plötzlich verschwand der Wald und ich fand mich an der Steilklippe wieder. Ich wirbelte herum um nach einem Ausweg zu suchen, doch in diesem Moment brach das Etwas aus dem Unterholz und warf sich gegen mich.
Gemeinsam stürzten wir dem schwarzen Wasser unter uns entgegen.

Mit einem Schrei des reinen Entsetzens und gebadet in eiskalten Schweiß fuhr ich aus dem Schlaf, während ich um mich schlug.
Langsam beruhigte sich mein Herz wieder und ich legte mich wieder hin.
Seid dem Tod meiner Frau hatte ich oft mit Albträumen zu kämpfen gehabt, doch dieser war schlimmer und realistischer als alle anderen zusammen.
Das Mondlicht flutete durch das Fenster, während ich da lag und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen.
Morgen würde ich mich hinsetzten und mal in den Geburts- und Todesurkunden nachforschen, denn das was mir der Geist meiner Frau im Schlaf gesagt hatte ging mir nicht aus dem Kopf.
„Immer paarweise, wie?“, murmelte ich. „Im Tode vereint, nennt man das wohl.“
Ja, flüsterte jemand, während sich kalte, trockene Finger von hinten um meinen Hals legten und zudrückten. Im Tode vereint.